Emotionale Rhetorik

Was erwarte ich von einem Buch, das „Emotionale Rhetorik“ heißt? Als Mensch mit mehr sachlich geprägter Rhetorik beneide ich manchmal diejenigen, die mit wenigen Worten ihre Zuhörer in den Bann ziehen und ihre wichtigen Botschaften mit emotionalen „Trojanern“ beim Publikum verankern. Mit dem Untertitel „Mit Worten begeistern, beeindrucken, berühren“ träfe das Buch von Anita Hermann-Ruess genau meine Erwartungen. Im Internet erfahre ich, dass die Autorin als Rhetorik-Trainerin auf ansehnliche Referenzen verweisen kann. Das Inhaltsverzeichnis des Buches enthüllt, dass das Buch sich in drei Teile gliedert: „Emotionale Rhetorik“ – „Praxis der emotionalen Rhetorik“ – „Emotionale Verstärkung durch rhetorischen Feinschliff“. Das hört sich schon mal gut an, denke ich, da ich mir ja vor allem Anleitung für eine nachhaltige Umsetzung in die Praxis verspreche. In ihrem Vorwort spricht die Autorin davon, dass das Buch ein „inspirierendes Nachschlagewerk“ und ein „praxisnaher und nützlicher Helfer“ sein soll. An einem Beispiel im ersten Kapitel zeigt sie auf, dass es auf die rhetorische Verpackung ankommt – Powerpoint soll nur ein unterstützendes Element sein um Sachverhalte anschaulicher zu präsentieren. Bereits der erste Teil ist gut versetzt mit praktischen Tipps. Negativ Emotionen sollen z.B. für die Beschreibung des zu verändernden Ist-Zustands verwendet werden, aber nie mit der eigenen Person und dem eigenen Anliegen in Zusammenhang gebracht werden. Positive Emotionen sind u.a. für den Soll-Zustand zu nutzen. Beide sind aber wichtig um die Zuhörer überzeugen und begeistern zu können. Auch Tabus werden immer wieder  schlüssig und mit Praxisbeispielen untermalt, aufgezeigt. Ich erfahre hier, dass mein Großhirn nur solche Lösungen als optimal durchlässt, wenn mein limbisches System diese schon vorher abgesegnet hat. Also wieder nichts mit der reinen Ratio bei Vortrag und Rede. Irgendwie war mir das schon bekannt, aber die Strategien und Tipps, die angeboten werden, sind einleuchtend und praktikabel. Ich werde sie ausprobieren. Im zweiten Teil erläutert die Autorin die Werte- und Emotionsfelder und wie diese mit „rhetorischen Highlights“ für die Ziele des Redners genutzt werden können. Umfassende ganzheitliche Praxistipps lösen bei mir während des Lesens immer wieder ein kreatives Feuerwerk aus. Ein paar Tipps probiere ich erfolgreich in einem Seminar an meinen Teilnehmern aus – Erfahrung positiv! Der dritte Teil zeigt dem interessierten Leser, wie er mit 30 rhetorischen Wirkfiguren seinem Vortrag, seiner Rede noch einen Feinschliff geben kann. Alte Bekannte, wie Alliteration, Analogie, Klimax, Synekdoche … erinnern mich an meinen Lateinunterricht. Ich bin positiv beeindruckt, wie es die Autorin anhand kurzer Tipps (Was? – Wozu? – Wie? – Beispiele – Profitipp) schafft, diese für mich ursprünglich trockene Materie für meine Anwendungen praktikabel darzustellen und mein Interesse für’s Ausprobieren zu wecken. Meine Erwartungen hat Anita Hermann-Ruess voll und ganz erfüllt. Das Buch ist leicht, anschaulich und verständlich geschrieben und – es ist ein Handbuch! Ich werde es sicher häufiger zum Nachschlagen nutzen. Noch ein Tipp: falls Sie dieses Buch lesen wollen, nehmen Sie sich ein Blatt Papier dazu und notieren sich gleich Ihre Ideen, für welche Veranstaltung, was, wie, usw. Sie werden sehen, wie viele gute Einfälle Sie bereits während der Lektüre haben werden.

Jochen Braun