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Info FK-Recht: Klimaschutz im Arbeitszimmer abwegig?

Die Fachkommission Recht im DVWO informiert heute einmal ausnahmsweise nicht “rein sachlich”, macht aber aus diesem Anlaß auf steuerliche Änderungen zum häuslichen Arbeitszimmer aufmerksam, die sicher die allermeisten Trainerinnen und Trainer betreffen:

Im Zuge des aktuellen G8-Gipfels und der aktuellen Klimadiskussion sprechen alle über Klimaschutz und suchen nach Wegen, den CO2-Ausstoß zu mindern. Was dabei vor allem gefragt ist, ist Fantasie, nicht zuletzt im Bereich Recht. Denn mit Recht werden nun einmal alle Gesellschaften weltweit gesteuert. So muss sich denn der Bundesfinanzminister auch einmal die Frage gefallen lassen, welchen Beitrag sein Haus zu diesem Thema leistet. Nun – aus Sicht der Trainerlandschaft und anderer Kleinunternehmer/Freiberufler eher einen stark kontraproduktiven, wenn man das neuste BMF-Schreiben zum häuslichen Arbeitszimmer liest (IV B 2 – S 2145/07/0002 unter www.bundesfinanzministerium.de).

Auf den ersten Blick ist es möglicherweise abwegig, eine Verbindung zwischen häuslichem Arbeitszimmer und dem Klimaschutz herzustellen. Wer jedoch morgens in einer Großstadt im Pendlerstau steht, wird dies sicher anders sehen: jeder Schritt weg vom Verkehr, jeder Tag ohne einen Weg ist sicher ein guter Schritt für das Klima.

Nehmen wir den Trainer und sein häusliches Arbeitszimmer: Lagert er es aus, wird er wegen der Trennung von Wohn- und Gewerbeflächen mindestens in 50% der Fälle Verkehr erzeugen müssen. Denn “das Büro um die Ecke” ist meistens eher Illusion. Und die Praxis zeigt, dass bei schlechtem Wetter man sich mit seiner “Business-Kleidung” dann doch auch für den einen Kilometer mal eben ins Auto setzt.

Dazu ein Beispiel aus der Telekanzlei, die bisher ausschließlich mit Telearbeitsplätzen arbeitet. Nimmt man einmal beispielhaft 5 Anwälte, die über das hamburger Stadtgebiet verteilt sind, und faßt sie in einem Büro irgendwo in Hamburg zentral zusammen, so entstehen für jeden irgendwo zwischen 5 und 15 KM Weg, diejenigen, die vor der Stadtgrenze wohnen, einmal ausgenommen. Nimmt man einen Schnitt von 10 KM pro Person und Weg, so kommen pro Tag 5 x 10, für Hin- und Rückweg also 5×10×2 KM zusammen, also 100 KM; an 250 Arbeitstagen also 25.000 KM. In den zehn Jahren ihres Bestehens also 250.000 KM nur für die angenommenen 5 Anwälte. Übrigens bei ca. 8 Litern deutschem KFZ-Flottenverbrauch komme ich -wenn ich mich nicht verrechnet habe- auf 20.000 Liter Kraftstoff. Übrigens – das Einzige, was daran Theorie ist, ist die Beschränkung der Annahme auf das Stadtgebiet ;-) Real sind es noch wesentlich mehr KM.

Auf den ersten Blick ist das sicher zu wenig für “große Politik” im Sinne von G8. Nur – wer die Konferenz der Bürgermeister der größten Städte der Welt (inkl. übrigends von Berlin mit Herrn Wowereit) neulich in New-York verfolgt hat und sieht, wieviel allein diese Städte am CO2-Ausstoß beteiligt sind und wieviel davon allein der Berufsverkehr ausmacht, erkennt schnell, dass unsere 5 Beispielsanwälte ebenso wenig Ausnahmen sind wie die tausenden von Trainern, die allein im DVWO organisiert sind.

Natürlich nun sind Bürokosten steuerlich absetzbar, die Kosten des häuslichen Arbeitszimmers jedoch weitgehend nicht und immer weniger. Sind die Wege nur lang genug, sind auch diese Kosten absetzbar, die Vermeidung des Weges jedoch nicht. Steuerlich begünstigt wird damit Verkehr, Landschaftsverbrauch usw., Vermeidung dagegen nicht.

Aus meiner ganz persönlichen Sicht ist zudem unverständlich, warum man auf der einen Seite Altersvorsorge fördert inkl. der Vorsorge durch eigene Immobilien. Im Arbeitszimmer jedoch betrachtet man offenbar Raumkosten nur dann als Betriebskosten, wenn das Zimmer fremdfinanziert ist. Und -liest man das BMF-Schreiben genau- macht es auch einen wesentlichen Unterschied, ob man Publikumsverkehr in den Räumlichkeiten hat oder nicht. Coacht der Trainer per Telefon – steuerschädlich. Kommt der Kunde zu ihm – steuerfreundlich. Auch hier wieder: wo Verkehr erzeugt wird, kann man absetzen, wo man Verkehr usw. vermeidet, eben im Zweifel nicht. Das Eigenheim wird steuerlich (riester-)gefördert, das Arbeitszimmer vom ganz normalen Betriebskostenabzug ausgenommen.

Es wäre interessant, dies einmal für alle Trainerinnen und Trainer durchzurechnen. Denn auf sie wird einiges zukommen:
Den Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit bildet beim Trainer das Training. Also kein häusliches Arbeitszimmer mehr, denn das Training findet meist beim Kunden statt. Schreibt der Trainer überwiegend Bücher, darf er sein Zimmer absetzen. Kommen die Teilnehmer zu ihm, reist also nicht einer, sondern mehrere, kann er steuerlich weiter absetzen.

Meine Meinung: deutsches Steuerrecht ist weitgehend reif für die Müllhalde. Wie soll der Trainer seine Trainings machen, ohne sie in einem Arbeitszimmer vor- und nachzubereiten, von dort aus telefonisch zu akquirieren usw.? Natürlich bildet den Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit das Training und damit die Leistung andernorts. Nur: warum ist ein Büro, das 150 Tage im Jahr leer steht, steuerlich absetzbar, das häusliche Arbeitszimmer nicht? Zumal es auch bisher nur absetzbar war, wenn eine private Mit-Nutzung weitgehend ausgeschlossen war; es kann also nicht um die Abgrenzung zwischen beruflicher und privater Nutzung gehen, sondern ausschließlich um Begrenzung der Betriebsausgaben-Abzugsmöglichkeiten. Und es ist völlig klar, warum beim häuslichen Arbeitszimmer angesetzt wird: wie würden Immobilienfonds und andere kapitalkräftigen Interessenvertreter reagieren, wenn man Bürokosten grundsätzlich vom Betriebsausgabenabzug ausnehmen würde? Wie würde ein Unternehmensberater mit Büro reagieren, wenn er sein Büro nur noch absetzen könnte, wenn er auf seine Vor-Ort-Beratungen weitgehend verzichtet und nur noch vom Büro aus arbeitet, damit er dort den Mittelpunkt seiner Tätigkeit hat?

So kürzt man dort, wo man am wenigsten Widerstand erhält: beim Kleinunternehmer mit häuslichem Arbeitszimmer.

Spannend wird sein, wie künftig überhaupt das Bundesfinanzministerium zum Thema Telearbeit und Homeoffice stehen wird. Denn es ist sicher etwas skuril, dass ein Arbeitszimmer noch absetzbar ist, wenn es vom Arbeitgeber angemietet wird (für den AG sind das nämlich Betriebsausgaben), nicht aber, wenn es vom Freiberufler selbst genutzt wird.

Allerdings – wenn man die vom Steuerzahler finanzierten Reisekostenbudget des Ministeriums anschaut, dürfte man dort sicher wenig Bewußtsein für Verkehrsvermeidung, Homeoffice und ähnliche umweltschonenden Arbeitsweisen erwarten.

Meine Meinung: für Klimaschutz braucht es eine Tugend, die in der Ministerialverwaltung offenbar lange schon abhanden gekommen ist: der praktischen Vernunft. Steuern heißen nun einmal Steuern, weil der Staat damit “steuert”. Und mit den neusten Regelungen zum häuslichen Arbeitszimmer steuert er weg von Telearbeit, Homeoffice usw. und zurück zu Büro und Verkehr. Vor 10 Jahren, als die Implemntierung von Telearbeitsmodellen begann, war der Steuergesetzgeber dazu deutlich schlauer.

Mit freundlichen Grüßen,
Matthias Lindow, Rechtsanwalt
Leiter der Fachkommission Recht
im Dachverband der Weiterbildungswirtschaft (DVWO)
www.DVWO.de
erreichbar auch über
01805-235413 (auch Fax)
Lindow@Telekanzlei.de
www.telekanzlei.de



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