Robin Gettup fragt: Werden Sie eigentlich auch immer älter?
Dumme Frage, werden Sie sagen. Dafür ist doch jede Zeile zu schade, von der Lesezeit ganz zu schweigen. Ja, aber Altern ist auch nicht mehr das, was es mal war!
Ich wage mal ein Statement. Wenn Sie jetzt mosern und sagen, wieso Statement, warum kann der nicht ganz normal „eine Feststellung treffen" formulieren, sind Sie gerade einen Schub älter geworden. Denn – so mein Statement: Altern erfolgt jetzt nicht mehr so peu á peu, Fältchen für Fältchen, wöchentlich ein paar ausgefallene Härchen mehr auf dem Pulli, sondern schubweise.
Peu á peu – das merken Sie ja gar nicht, nicht mal in der Nacht nach Ihrem Geburtstag. Aber Schübe! Mal ein Beispiel. Sie sind bei jemandem zu Gast. Die Tochter des Hause wird zum Essen gerufen und schreit laut durchs ganze Haus: „Ich kann im Moment nicht, ich bin in Lokalisten!" Haben Sie sich verhört (Hörgerät nachstellen?) oder wagen Sie zu fragen: „Lokalisten? Was ist das denn so Wichtiges?"
Ja, Opa, das ist so ein Schub, bei dem man merkt, man tickt nicht mehr zeitgemäß. Atemlos setzt sich die zahnspangenbewehrte Zehnjährige an ihren Platz und entschuldigt sich, sie hätte gerade noch mit Bembi skypen müssen. Ganz super-dringend.
„Eins – zwei – drei – im Sauseschritt läuft die Zeit, wir laufen mit?" Das konnte Wilhelm Busch noch dichten, aber ehrlich – wir hecheln hinter ihr her und dann kommt der Schub! Skypen? Man wagt ja schon gar nicht mehr zu fragen. Abgesehen davon, dass zu „Ihren Zeiten" die Eltern die Ohren gespitzt hätten: „Bembi? Wer ist denn das? Ist das auch der richtige Umgang für dich?" Auf dem Heimweg nach dieser Einladung sehen Sie ganz schön alt aus – nicht wahr?
Ach, Sie freuen sich, nach langer Zeit mal wieder an den Ort zurückzukehren, wo Sie zur Schule (sachverwandt: Penne) gegangen sind. Eine Schulkameradin oder dito -kamerad holt Sie am Bahnhof ab. „Mei, sagen Sie sich (und hoffen, dass das unbemerkt bleibt): „Ist die/der aber alt geworden!" Und wie geht es Ihnen in diesem Augenblick? Diagnose: Altersschub!
Jetzt werden Sie durch das vertraute Städtchen chauffiert …. aber halt, sind wir falsch? Wo ist denn? Da war doch früher ….? Unser Kino – weg? Wo unser Gymnasium stand, ist jetzt ein Parkplatz für die Schüler? Für Schüüüler? Und dieses verzinkte Glasgebilde dahinter? Ist jetzt – waaas? eine Gesamtschule? Im Ernst: Wollen Sie wirklich noch weiterleben? Oder setzen Ihnen diese Schübe so zu, dass Sie aussteigen wollen, aussteigen aus dem Zeitenlauf?
Wenigstens das Bier, das jetzt perlend serviert wird, ist noch die alte, vertraute Marke. Ach, nur noch das Etikett! Die Ortsbrauerei ist längst zu? Verfällt? Scheiben eingeschlagen? Nur noch Abfüllerei? Der Gerstensaft soll jetzt mit konzerneigenen Kesselwagen angeliefert werden? Pfui Spinne! Und an der Ecke, wo Sie als Bub öder Mädel das bisschen Taschengeld in Lakritzbonbons und Gummischlangen mit einem güldenen Ringlein umgesetzt haben, jetzt eine Dönerbude? Wo, bitte, geht es zu einem Jungbrunnen?
Weiß Robin Gettup auch nicht! Hat jemand einen Tipp? Wenigstens einen Trost haben Sie noch: Auf den uralten Fotos, die jetzt herumgereicht werden, sehen Sie doch noch recht jung aus! R.G.
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