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Das demokratische Unternehmen

Autor Sattelberger, Thomas, Welpe, Isabell, Boes, Andreas (Hg.)
Verlag Haufe
ISBN 978-3-648-07434-3

Der Reader vereinigt Beiträge (zwei davon in englischer Sprache) von Wissenschaftlern, Praktikern und Berater zu drei „Teilen“: 1. Perspektiven auf die Demokratisierung der Wirtschaft; 2. Transformationaler Wandel in der Wirtschaft: Reflexionen zu Beteiligung und Demokratie in modernen Unternehmen, 3. Experimente, Erfahrungsfelder und Leuchttürme.

Im ersten Teil dominieren eher grundlegende und bis auf den Beitrag von Thomas Sattelberger eher wissenschaftliche Betrachtungen auf die Frage nach dem Warum und Wozu von mehr demokratischen Elementen in Unternehmen – das durchgängig als Desiderat apostrophiert wird.

Im zweiten Teil kommen einzelne Komponenten gegenwärtigen digitalen Wirtschaften in den Blick: Sharing Economy und disruptive Innovation, die These von den zunehmenden Freiräumen für Mitarbeitende durch Digitalisierung („Die neue Macht – digitale Freiräume), das Demokratisierungsbeispiel „Mitarbeiter als Eigentümer“ sowie die Thematik der Agilität, hier: in der Softwareentwicklung. Alle Beiträge suggerieren, dass Digitalisierung gleichsam zwangsläufig mit einer nur dann klugen Führung einhergeht, wenn sie das Ausmaß an Mitsprache, -bestimmung und Eigeninitiative ausbaut. Demokratisierung erscheint hier als Notwendigkeit im Namen nachhaltigen Erfolgs: für den Einzelnen ebenso wie für Unternehmen.

Den dritten Teil bestreiten allein Praktiker: Personen, in deren Organisationen demokratische Ansätze realisiert wurden. Ein Beitrag ragt heraus, jener von Mads Kamp: „Democracy in Organizations – for leaders, members and employers?“ Man beachte das Fragezeichen. Der Autor schlägt fragende Töne an und sinniert u.a. darüber, wann, in welchen Kontexten und zu welchen Zwecken welche Art von Demokratisierung zielführend, zweckmäßig, passend, angemessen ist und was es bedarf, sie zum Wohl von Menschen und Organisation zu praktizieren.

Keine Frage: Demokratisierung von/ in Unternehmen ist unter verschiedenen Labels en vogue, etwa Holocracy (in einem Beitrag thematisch), Agilität und Adaptivität im Bedingungsgefüge von Freiräumen und zum Zweck innovativer Impulse.

Die Beiträge gehen davon aus, dass Digitalisierung und das Internet of Things, das faktisch ein Internet der Dinge, Menschen und Dienste/ Dienstleistungen oder Services ist, notwendig einhergeht mit Freiräumen für Denken und Handeln von Menschen.

Man kann die Praxis von IoT indes auch ganz anders beschreiben: Das IoT repräsentiert eine Ontologie, und Menschen agieren im Rahmen einer Calm Techology, die ihr Leben im wörtlichen Sinn prägt; dank der Allgegenwart von Technologie und Mensch-Maschine- Vereinigungsmodi laufen Menschen in Richtung Cyborgisierung, Immersion und Singularität. Bereits heute und obgleich das IoT als lückenlose Vernetzung über den Globus hinweg noch Vision (Utopie, Dystopie) ist, werden Menschen geführt von Systemen, folgen Prozessen, gehorchen Anweisungen künstlicher Intelligenz und Emotionalität (cognitive & emotional computing). Mit anderen Worten: Es gibt durchaus Betrachtungen, die es verdienen, das Lied der Freiheit und Teilhabe als bestenfalls eine Lesart und Wunsch zu positionieren. Internetintellektuelle wie Jaron Lanier und besonders Evgeny Morozov (um die bekanntesten zu nennen) haben zu einer gegenläufigen Betrachtung Kluges zu sagen.

Abgesehen von Kontext IoT können auch soziologisch und psychologisch fundierte Argumente die uneingeschränkt sonnenklare Sicht auf Demokratisierung in und von Unternehmen zumindest ein wenig trüben und zu einem nüchterneren Austausch beitragen.

Der lesenswerte Reader sollte von all jenen gelesen werden, die sich mit der Thematik befassen: um einen Einblick in wesentliche Aspekte zu erhalten und gleichzeitig die Chance zu nutzen, anhand der Ausführungen in eine konstruktive Kontroverse einzusteigen.

Dr. Regina Mahlmann, www.dr-mahlmann.de

Regina Mahlmann