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Das Internet vergisst nichts

Das Internet hat für viele etwas Anonymes. Man kann darin Unmengen an Informationen sichten, ohne dass jemand davon erfährt, was man wann und wo liest. Man kann unter Pseudonymen in Foren, Blogs, sozialen Netzwerken und anderen Kommunikationsplattformen schreiben.

Tatsächlich ist es nirgendwo leichter, bewusst aber auch oft unbemerkt sehr viel private Informationen über sich ungewollt und (zunächst oft) unbemerkt weltweit zu verteilen. Denn das Internet ist eines der transparentesten Informations- und Kommunikationssysteme weltweit. Internetprovider speichern Verbindungsdaten über mehrere Monate hinweg. Betreiber von Websites sammeln und analysieren die Daten von Benutzern, um so Rückschlüsse auf Attraktivität einzelner Inhalte sowie das Benutzerverhalten insgesamt ziehen zu können. Ein in diesem Zusammenhang gern genutztes Werkzeug ist das datenschutzrechtlich umstrittene Google Analytics [1].

Auf Webseiten oder den Datenbanken sozialer Netzwerke wie Facebook, MySpace, StudiVZ oder XING sind die dort abgelegten Texte und Fotos noch Jahre später zu finden. Den Netzwerken liegt oft ein bestimmter Ansatz zugrunde. Manche richten sich an Nutzer aus einer bestimmten Region, andere an Personen in bestimmten Altersgruppen (z.B. Schüler oder Studierende), wieder andere an private oder geschäftliche Nutzer. Dennoch sind alle sozialen Netze grundsätzlich weltweit für fast jeden verfügbar. Egal ob er der Zielgruppe angehört oder nicht.

Selbst wenn eine Webseite vom Betreiber aus dem Netzt genommen wird – der Google-Cache (eine Art Zwischenspeicher von Google um die Suchmaschine zu beschleunigen) findet sie immer noch. Und der Dienst Archive.org [2] verfolgt das Ziel, möglichst große Teile des Internets dauerhaft in einer Art virtuellen Bibliothek zu archivieren. Für viele Websites lässt sich dort deren ganze Geschichte einschließlich aller Änderungen bis zur Erstveröffentlichung zurückverfolgen. So liegen für www.gabal.de Archivdaten bis ins Jahr 2000 zurück abrufbar vor.

Als vor einigen Monaten das Buch „Die Weiterbildungslüge“ erschien, löste es eine kontroverse Diskussion bzgl. seiner Inhalte aus. Gerade Personaler und Weiterbildner diskutierten die Thesen des Autos (der das Buch unter dem Pseudonym „Richard Gris“ verfasste) teilweise engagiert und kontrovers. Man wird diese Diskussion online wohl noch in zehn Jahre exakt nachvollziehen können.

Es gibt noch ein weiteres Langzeitgedächtnis im Internet: das sog. „Usenet“. Das Usenet ist ein weltweites Netzwerk, das Diskussionsforen („Newsgroups“) aller Art bereitstellt und an dem grundsätzlich jeder teilnehmen kann. Die Teilnehmer verwenden dazu spezielle Programme, die Newsreader, deren Handling an Mailprogramme erinnert. Vieles von dem, was von Nutzern vor Jahren im Usenet an Beiträgen geschrieben wurde, kann auch heute noch ganz ohne spezielle Software über die Google-Funktion „Google Groups“ (ein sehr großes Usenet-Archiv) wiedergefunden werden. Ebenfalls von Google wird eine weitere Suchfunktion der besonderen Art angeboten: die Bildersuche von Google. Mit ihr lassen sich gezielt Bilder aller Art (z.B. von Personen, Orten, Gegenständen) suchen und so nachvollziehen wann, wo und von wem diese Bilder in welchem Kontext veröffentlicht wurden.

Wer demnach etwas ins Internet einstellt – sei es nun eine Website, ein Blogeintrag, ein Kommentar in einem Forum oder auch Bilder, Videos oder Podcasts – sollte davon ausgehen, dass das Objekt über kurz oder lang nicht mehr löschbar und auf ewig im Internet zu finden sein wird. Ein „Versenden“ wie im Rundfunk oder Fernsehen, wo nach Ausstrahlung der Sendung bald nichts mehr davon zu finden ist, gibt es im Internet nicht. Das macht es erforderlich sich Gedanken darüber zu machen, was man wo und zu welchen Zeck im WWW publiziert. Denn gerade Unternehmer, freiberuflich Tätige oder Experten aller Art können nicht auf eine sorgfältig aufgebaute und gepflegte Online-Reputation verzichten. Für sie ist es geradezu verpflichtend ihre Angebote auf Webseiten darzustellen, in Fachforen und Blogs ihres Metiers mit zu diskutieren, Fachartikel (auch) online zu publizieren und so dafür zu sorgen, dass eine Suche nach ihrem Thema ihren Namen und ihre Angebote zutage fördert. Und eine Suche nach ihrem Namen die Themen mit denen sie in Verbindung gebracht werden wollen. Der Aufbau einer solchen Online-Reputation kann durchaus aufwendig sein und mehrere Jahre Zeit in Anspruch nehmen. Jede im Internet veröffentlichte Sache, die sich mit dem eigenen Namen in Verbindung bringen lässt, wird Bestandteil davon.

Vielleicht werden Menschen ohne Online-Reputation in fünf bis zehn Jahren erhebliche Probleme haben, an Aufträge, Arbeitsplätze oder Geschäftspartner zu kommen. So wie heute schon jemand der a) einen schlechten Schufa-Eintrag oder b) gar keinen Schufa-Eintrag hat (also schufa-technisch eigentlich gar nicht existiert) Probleme hat, an einen Mobilfunkvertrag zu kommen.

Einige grundsätzliche Überlegungen zum Thema Eigenmarketing und PR-Strategie sind daher heute auch für jene Berufsgruppen nützlich, die sich bislang noch nicht damit befassen mussten. Bestandteil dieser Überlegungen sollte auch die Frage nach dem sein, was man keinesfalls über sich ins WWW stellen will (z.B. peinliche Bilder und privateste Details des eigenen Lebens). Kein Unternehmer käme auf die Idee, Bilder und Videos von sich selbst in peinlichsten Situationen ins Netz zu stellen. Und dennoch tun gerade Jugendliche dies täglich auf Plattformen wie MySpace, YouTube oder Facebook. Oft ist ihnen gar nicht bewusst, dass dieses Material auch Jahre später noch von jedem wiedergefunden und weiterverbreitet werden kann.

Datenschutz und Informationssicherheit sind keine rein technischen Probleme. Oft beginnen sie mit persönlichen Einstellungen und Werthaltungen, die rein gar nichts mit Computern zu tun haben. Man könnte auch von einer Form von „informationellem Selbstschutz“ sprechen.

Verfasst von Guido Strunck, Betreiber des Fachblogs http://itsicherheit.wordpress.com/, beruflich tätig als IT-Prüfer und Produktspezialist für Software.

Kontakt: http://www.guidostrunck.de/ oder per Mail: Guido.Strunck@gmx.net

[1]: s.a. http://de.wikipedia.org/wiki/Google_Analytics und http://www.google.de/analytics/de-DE/.

[2]: http://www.archive.org/



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