Alpha Tiere.

Mit Ausnahme des Kapitels „Coaching für Alphas“, das sich an Coaches wendet,  wechselt die Ansprache und damit die Zielgruppe zwischen Alpha-Persönlichkeiten und solchen Mitgliedern eines Unternehmens, die Mitarbeitende oder Kolleginnen/Kollegen sind, vielleicht auch Kunden.

Führungspersonen, die das Buch lesen, werden sich – ob nun der Kategorie der Alphas zugehörig oder nicht – bestens lernend und sich selbst, andere, Situationen wieder erkennend unterhalten fühlen: Darstellung und Wortwahl sind dramaturgisch spannend und flüssig aufbereitet, zeitweise auf den jeweiligen Alpha-Typus abgestimmt und daher beispielsweise dem Vokabular des Kampfes entnommen, schwungvoll (dem „Alpha-Mann“ angepasst) und stets mit Beispielen, Zitaten und Anekdoten und Alpha-typischer Selbsthervorhebung der Autoren (die sich selbst als Alphas bezeichnen) angereichert. Das schließt die auf- und erklärenden Inputs ein.

Vorgestellt werden vier Alpha-Mann-Typen. In den Kapiteln werden die Stärken hervorgehoben, sodann vorgestellt, wann die Stärken in destruktive Schwächen umschlagen und was sowohl die Alphas selbst als auch deren Partner tun können, um das Destruktive in Konstruktives umzuwandeln. Die Lesenden finden einige „Tests“, die allerdings dermaßen durchsichtig sind, dass der Nutzen mehr als in Frage steht. Vielleicht weisen die Autoren deshalb häufig (und in verkäuferischer Weise) auf den ausführlichen Online-Test hin, der – so stellte es sich der Rezensentin dar – kostenpflichtig ist. Im Anhang präsentieren die Autoren das „Muster einer Alpha-Beurteilung“.

Berater, Coaches und andere Profis in der Unternehmensberatung treffen auf alte Bekannte: Das 4-Typen-Modell ähnelt so manchem anderen Persönlichkeitsmodell und lässt die Frage aufkommen, was an der Typologie bis auf das Etikett „Alpha“ neu oder besonders heikel sein soll – einschließlich  der Empfehlungen für Betroffene. Sie finden zudem, vor allem in den Hinweisen für Veränderung und Umgang mit Alphas, Anleihen aus der Transaktionsanalyse, aus der Gesprächsführung à la Gordon, ferner aus Schulz von Thun und dem NLP und so weiter. Das ist deshalb zu erwähnen, weil die Autoren diese Grundlagen, Bezüge, Anleihen nicht nennen und ihre Ausführungen als nahezu revolutionär hervorheben. Professionelle sollten sich dadurch nicht blenden lassen, sondern prüfen, aus welchen fachlichen (v.a. psychologischen, auch führungstheoretischen, etwa der Eigenschaftstheorie der Führung) Gründen welchem Alpha-Typ welche Veränderungstechniken nahe gelegt werden und diese für den Typus leistbar sein mögen. Die Datenlage und das, was als wissenschaftliche Grundlage ausgewiesen wird, ebenso wie „Studien“, auf die sich die Autoren beziehen (sofern es nicht einfach heißt „viele Studien belegen“) lassen an Phil Rosenzweig, Der Halo-Effekt. Wie Manager sich täuschen lassen. Gabal Verlag, Offenbach 2008 denken und der Wunsch keimt auf, die Autoren hätten sich damit beschäftigt. Dahin gestellt sei an dieser Stelle auch, inwiefern das Modell der 4Typen wissenschaftlicher Prüfung standhielte. Schließlich sei noch erwähnt, dass die Autoren begründen, warum sie sich vorzugsweise dem Alpha-Mann widmen und weniger der weiblichen Variante. Inwiefern diese Erläuterung schlüssig ist – nun, das ließe sich diskutieren und ist in jedem Fall abhängig von Untersuchungsdesign und Datenlage.

Bei allen möglichen weiteren kritischen Anmerkungen: Führungspersonen, die sich selbst als „Alpha“ fühlen, stehen im Rampenlicht dieses Buches, und ihnen täte diese Lektüre mitsamt ihrer Redundanz  insofern gut, als sie penetrant darauf hingewiesen werden, dass Selbsterkenntnis der erste Schritt dazu ist, sich selbst nicht im Wege zu stehen – und damit auch anderen den Weg zu Erfolgen nicht zu versperren, sowie insofern, als Alphas einsehen können, dass sie Nicht- oder Weniger-Alphas brauchen, als Lehrmeister in Sachen soziale und emotionale Kompetenz, als wertvolle Korrektive sowie als Mitstreitende auf dem Weg zu nachhaltigem Erfolg – sogar der eigenen Karriere.

Dr. Regina Mahlmann
www.dr-mahlmann.de
drmahlmann@aol.com

Dr. Regina Mahlmann