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Alphabet

Autor Kathy Page
Verlag Wagenbach
ISBN 978-3-803-13337-3

„Mitte der neunziger Jahre war ich ein Jahr als Writer in Residence im Her Majesty´s Prison Nottingham tätig“, schreibt die Autorin eingangs ihres Nachwarts (S. 313ff.), was erklärt, wie sehr mit diesem Roman die Tiefe ihrer Charaktere auszuloten vermag – und das Ambiente nachvollziehbar darzustellen …

Bildungsroman der anderen Art
Wie es auch anders geht, sein Leben zu leben, es zu entwickeln, trotz widriger Umstände, dem geht die Autorin nach, die Perspektive unterschiedlicher Personen jene von Simon ergänzend. Etwa eine Therapeutin, zu der er letztlich zuviel Nähe entwickelt (S. 81ff. etc.) oder einen anderen Therapeuten, zu dem er in Distanz geht, was ihn noch mehr in Schwierigkeiten bringt (z.B. S. 136ff.). Schreiben wird seine Chance, sich zu entwickeln – für ihn, den Analphabet (S. 154 etc.). Gar einen Fernkurs belegt er (S. 269ff. etc.) … „Seine Kindheit und Jugend hat Simon in Heimen und bei Pflegefamilien verbracht. Nun sitzt er wegen Mordes an seiner Freundin lebenslänglich in einem Hochsicherheitsgefängnis und durchläuft verschiedene Therapien. Er ergreift die Chance, Lesen und Schreiben zu lernen, und beginnt verbotenerweise mehrere Brieffreundschaften mit unterschiedlichen Frauen. Dabei findet er immer mehr über sie heraus, ohne sich selbst zu offenbaren. Nach einer Schlägerei kommt er ins Krankenhaus und teilt dort das Zimmer mit Vic, der sich gerade in Charlotte verwandelt. Aber welche Verwandlung gelingt Simon in den dreizehn Jahren seiner Haft?“ Leser begleitet diesen ambivalenten wie sympathischen Charakter durch diese Zeit, zwischendurch überrascht-erleichtert, dann wieder frustriert ob der Umstände…

Roman eines Lebens
… das wiederum quasi den Rahmen bildet für die ziemlich schonungslose Analyse von Gesellschaft, Zeitgeist und Umgehen miteinander. Sei es im Knast, sei es im „freien“ Leben – und erst recht im Überschneiden beider Kontexte: „Kathy Page entfaltet dieses Leben in ihrem psychologischen Drama so sezierend wie zugeneigt. Sie ist eine ungemein vielseitige Autorin, die in ihrem Werk eine immense Palette an Themen, Genres und Stilen vereint – jeweils mit beeindruckender Virtuosität. In diesem Roman verarbeitet sie eigene Erfahrungen während eines Arbeitsaufenthalts im Männergefängnis. Ohne diesen Handlungsort zu sentimentalisieren, gelingt ihr ein Bravourstück, das tiefgründig Identität, Vergebung und Gerechtigkeit verhandelt.“ Mit offenem Ende, für das Leser sich Optimistisches vorstellen mag. HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter