Auf leisen Sohlen ins Gehirn
Autor | Lakoff/Wehling |
Verlag | carl-auer |
ISBN | 978 3 89670 695 9 |
Das Buch, 2008 erstmals erschienen, ist als Dialog konzipiert: Elisabeth Wehling als Fragende, George Lakoff als Antwortender. Inwiefern das Format überzeugt, muss jeder Leser für sich beantworten. Die Antworten – eher kurzen Referaten ähnelnd – nehmen den größten Platz ein; denn in ihnen führt der Metaphern-Spezialist aus, inwiefern insbesondere politisches Reden metaphorisch ist, welche konzeptuellen Metaphern ideologisch aus welchen Gründen bevorzugt rhetorisch bedient werden und welche Folgen das für die Empfangenden hat: im Denken und im Handeln.
Leser, die das gemeinsam mit Mark Johnson verfasste Buch gelesen haben (Metaphors we live by), tun sich mit dem Verständnis der Lektüre leichter. Notwendig ist die Lektüre aber nicht. Das erste und das sechste Kapitel vermitteln dem Leser die grundlegenden Annahmen, von denen G. Lakoff ausgeht; in den weiteren erläutert er leicht nachvollziehbar sowie anhand konkreter Beispiele, warum er was, welche Metaphern, wie versteht.
Im Zentrum des Buches steht politische Sprache. Mit den Begriffen Quell-, Zieldomäne, Frames (Surface Frames, Deep-Seated Frames), konzeptuelle Metapher und neuronalen Assoziationsregionen verdeutlicht oder enttarnt George Lakoff jene Metaphern, die die politische Sprache der Konservativen bzw. Republikaner prägen und welche Auswirkungen dies auf der Rezipientenseite hat.
Das Gros der Beispiele ist US-amerikanischer Politik (Ronald Reagan, die beiden Buschs, Iran-, Irakpolitik, Interventionen/ Krieg, 11. September 2001). Bedauerlicher Weise kann Barak Obama in dem Dialog noch keine/kaum eine Rolle spielen; das Nachwort von Elisabeth Wehling greift kurz den Wahlkampf und seine metaphorische Sprache und Wirkung auf. Es wäre jedoch angesichts der Ausführungen von George Lakoff zur Veränderbarkeit von tief liegenden Frames ganz besonders interessant, seine Erläuterungen zum Erfolg von Barak Obama in sehr kurzer Zeit hergeleitet zu lesen.
Der eine oder andere Leser mag sich an den bemüht anmutenden zahlreichen groben Rekurs auf „unser Gehirn“ stören und/oder keinesfalls alle Axiome und Theoreme und auch die prominente, den breiten Raum einnehmende Rückführung auf zwei Familienmodelle teilen. Er sollte sich von seinem Widerspruch aber nicht von der Lektüre abhalten lassen; denn sie ist in jedem Fall lehrreich.
Sie lehrt nicht nur das Betrachten von Sprache aus einer metaphern-sensibilisierten Sicht, sondern motiviert zu einer ideologie-kritischen Betrachtung schriftlicher und mündlicher Äußerungen, vor allem im öffentlichen Raum. Gegen Schluss verlegt sich der Dialog thematisch auf die Verantwortung von Journalisten (ausweitbar auf alle Publizierenden, die sich medial wirksam äußern), vornehmlich im Nachwort, und deren Optionen, selbst und von anderen benutzte Metaphorik zu analysieren, Tiefenstrukturen/ Konzept zu analysieren, zu erkennen und gezielt anzuwenden. Insofern sollte das Buch auch als flammendes Plädoyer für Analyse benutzter und bewusstes Anwenden von Sprache gelesen werden.
Dr. Regina Mahlmann, www.dr-mahlmann.de