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Bild und Zeit

Autor Johannes Grave
Verlag C.H.Beck
ISBN 978-3-406-78045-5

„Eine Theorie des Bildbetrachtens“ ist hier ausgebreitet, auf mehr als 200 Seiten (plus ausführlichem Anmerkungs-Anhang). „Das Verhältnis von Bild und Zeit erstmals kunsthistorisch und bildtheoretisch beleuchtet“ bietet also Grundlegendes!

Wechselwirkende Bilder
Was machen Bilder mit uns – was machen wir mit Bildern? Tatsächlich ist Wechselwirken zu unterstellen, manch Betrachter sieht anderes als der Künstler hinein gedacht hat. Daher die Kernfrage: „Können Bilder Macht auf ihre Betrachter ausüben? In seiner neuen Bildtheorie zeigt Leibniz-Preisträger Johannes Grave, dass Bilder uns in zeitliche Prozesse verstricken, die sich nicht vollständig kontrollieren lassen, aber neue Denkräume eröffnen. Vor allem durch ihre Struktur und Gestaltung beeinflussen Bilder die Wahrnehmung und damit auch unsere Zeiterfahrung erheblich. Das Buch ist ein Plädoyer dafür, sich beim Blick auf Bilder Zeit zu nehmen und sich ganz in ihren Bann ziehen zu lassen.“ So erklärt sich der Buch-Titel dieses Opus in drei Teilen: Annäherungen (Ausgangsüberlegungen, kunsthistorische Streifzüge) – Grundlagen (Ebenen Temporalität, bildliche Formkonstellationen, Dualität des Bildes, Bild und agency, Kontexte und Situationen) – Perspektiven (Rhythmen in Bildern, Bild Zeit und Geschichte, Bildpolitik, Denkräume bei C.D.Friedrichs) – abgerundet mit einem Epilog. Auch Historisches kommt also ins Bild, etwa durch den Abstand eines heutigen Betrachters zum Zeitgenössischen des Künstlers (Zeitlichkeit siehe auch S. 168ff.).

Zeit im Bild?
Erlebniszeit ist einer der relevantesten Begriffe, mit denen Leser umzugehen lernt (S. 27ff. etc.) – siehe Blickbewegung. Das Leben von Zeit und/oder Bewegtem „wird erheblich durch das Dargestellte geprägt“ (S. 56), Betrachter könne „einem Strich einiges über den Entstehungsprozess entnehmen“ (S. 68). Wie blicken wir, welcher Richtung folgt das Auge, wie wird es vom und im Bild gelenkt? „Bei der Betrachtung von Bildern wird dem Faktor Zeit meist keine besondere Bedeutung beigemessen. Anders als bei einem Text scheint beim Bild alles auf den ersten Blick gegenwärtig zu sein. Tatsächlich aber sind in Bildern verschiedene Zeitebenen miteinander verschränkt – so z. B. die Zeitspanne, die man vor dem Werk verbringt, die im Bild dargestellte Zeitlichkeit oder die Alterung des Bildträgers. Die Wahrnehmung von Bildern lässt sich daher nicht als simultane Schau eines gegebenen Ganzen verstehen, sondern vollzieht sich in einer eigenen Zeit. Dabei kann das Sehen vorgezeichneten Spuren folgen oder auch aus einer Fülle von Angeboten auswählen. Johannes Grave geht der Frage nach, wie Bilder die Zeit ihrer Betrachtung auf eine Weise beeinflussen, die sich vom Blick auf andere Dinge und von der Lektüre eines Textes unterscheidet.“ Was mit einer Fülle an Abbildungen illustriert und so belegt ist. Das Kapitel „Bild und Agency“ erinnerte mich stark an eine frühere Jahrestagung der Gesellschaft für Comicforschung, wo es um eben „Comic und Agency“ ging… Dieses Wechselspiel im Sequenziellen oder Einzelbild prägt ja auch eine Art Dichotomie von Comic und Cartoon, mit je anderem Eye-Tracking im Bild oder zwischen Panels (S. 148 angedeutet). HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter