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Computerspiele

Autor Daniel Martin Feige
Verlag Suhrkamp
ISBN 978-3-518-29760-5

Daniel Martin Feige, Juniorprofessor für Philosophie und Ästhetik an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste Stuttgart, fügt den Diskursen über Computerspiele, die in verschiedenen Wissenschaften geführt werden, nicht einfach eine weitere Facette hinzu. Von dem vielstimmigen Chor aus Medien-, Kunst-, Literaturwissenschaft, aus Psychologie und Soziologie setzt er sich insofern ab – bzw. vor -, als er eine philosophische Perspektive wählt und sich sowohl begrifflich als auch konkret Antworten auf die Frage nähert, unter welchen Bedingungen man ein Computerspiel als Kunstwerk erleben, beschreiben, betrachten kann.

In dieser Formulierung klingt an, wofür Daniel Martin Feige wortreich, begrifflich ausführlich und sich argumentativ gegen antizipierte wahrscheinliche Einwände eintritt: Es geht nicht um die Gattung Computerspiel als ein ästhetisches Medium, sondern um einzelne Spiele, die ihm als Kunstwerk gelten können. Der Autor, selbst passionierter Spieler von Computerspielen, bereitet seine Antwort vor, indem er sich den Begriffen Kunst, Ästhetik widmet; indem er sich gegen ludologische, narrative, technologische Definitionsversuche absetzt, die anhand von vorgedachten Kategorien bestimmen wollen, was ein Computerspiel ausmacht. Diesen reduktionistischen Versuchen setzt einen – in Kunst- und Medientheorie bzw. Ästhetik durchaus bekannten – Ansatz entgegen, der Computerspiele als ästhetische Medien bestimmt, die sich im Austausch mit anderen Medien, in der wechselseitigen Befruchtung durch Austauschprozesse herstellen und konturieren. Insofern werden ästhetische Medien als solche immer wieder neu verhandelt, neu hergestellt. Dieser Ansatz stellt sich folglich gegen definitorische Abgrenzungen, die das Reden von Intermedialität insofern obsolet machen, als sie begrifflich bereits abgegrenzte ästhetische Entitäten voraussetzen. Statt nach Eigenschaften oder Bedingungen für die Definition von Computerspielen zu suchen, muss man Ausschau danach halten, wie sie sich im Verhältnis zu anderen ästhetischen Medien verhalten. Dieses Austauschverhältnis zu anderen ästhetischen Medien illustriert der Autor anhand von Beispielen aus Film, Literatur, Architektur, Theater, Musik. Um zu erfassen, was Computerspiele zu Kunstwerken macht, verweigert der Autor konsequenterweise spezifische inhaltliche und kategoriale Aspekte, rückt also nicht mit Besonderheiten oder Charakteristika auf der Ebene von Darstellung/ Design, Erzählung oder Spielpsychologie an. Die Antwort findet er, indem er spezifiziert, was Kunsterfahrung meint. Kunst, so Daniel Martin Feige, eröffnet spezielle Reflexionsoptionen. Für Kunst sei wesentlich, dass sie aufgrund einer eigenen Logik Angebote mache, sich selbst zu reflektieren. Auf spiele übertragen: Sie müssen ermöglichen, „sich selbst durchzuspielen“, das heißt: im Spielen selbst Erfahrungen zu machen, die der Spieler reflektieren und auf sich selbst beziehen kann. Insofern spricht der Autor auch davon, Kunst sei ein „Selbstverständigungsgeschehen“. Die Kunsterfahrung ist damit nur dann möglich, wenn man selbst spielt; denn das Künstlerische ist gebunden an die Aktion des Spielens. Darin liegt die Novität der Theorie. Ein Computerspiel ist also dann ein Kunstwerk, wenn die Architektur der Spielzüge ermöglicht, Handlungsoptionen im Spiel zu gegenwärtigen. Das, was das Spiel vermittelt, wird damit nicht narrativ, sondern dadurch vermittelt, dass der Spieler Spielzüge vollzieht. Der Autor zeigt das an verschiedenen Beispielen, und der Leser wird das, was Daniel Martin Feige damit meint, am ehesten an den Spielen „Bioshok“ oder „Brothers: A Tale of Two Sons“ nachvollziehen können. Nicht über Erzählelemente, sondern über Spielzüge erfährt der Spieler Selbstverständigung, nämlich dadurch, dass die Routine der Spiellogik oder Spielmechanik verändert wird. Das Spiel wird ein Kunstwerk in dem Moment, in dem es das, was es vermitteln möchte, ausschließlich im Spielen vermittelt. Diese philosophische Theorie bereichert die Art und Weise, wie Computerspiele verstanden werden können, indem sie den bisherigen Beschreibungspluralismus verlassen. Dass diese Erkenntnis dem Leser vor allem im letzten Viertel des schmalen Bandes verständlich wird, ist bedauerlich. Zumal die vorgängigen Ausführungen zwar sehr interessant und philosophisch argumentierend (wenn auch nicht immer schlüssig) sind; und auch die argumentative Struktur: Aufstellen einer These, Erörtern möglicher Einwände, Konkretisieren These, indem der Autor erläutert, wie etwas nicht gemeint ist, um dann – zuweilen etwas dünn – zu formulieren, was gemeint ist – diese Struktur mag Leser, die begierig sind, eine Antwort auf die Frage nach dem Kunstcharakter von Computerspielen zu erhalten, etwas ermüden. Erleichtern könnte ihnen, wenn sie sich an den kursiv gedruckten Bemerkungen entlanghangeln. Diese didaktische Signatur zeigt, was dem Autor besonders wichtig ist und kann als Leitfaden für den gesamten Gedankengang dienen.

Dr. Regina Mahlmann, www.dr-mahlmann.de

Regina Mahlmann