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Das Halsband der Tauben

Autor Raja Alem
Verlag Unionsverlag
ISBN 978-3-293-20660-1

Wenn Leser Lust und/oder Interesse hat, in die arabische Literatur einzutauchen, greife er nach diesem dicken Paperback, annähernd 600 Seiten stark. Mit diesem Umfang erinnert der Text an 1.001 Nacht genauso wie durch vielerlei Seitenschwenker mit immer neuen „Bildern“, die es im Islam ja eigentlich zu vermeiden gilt. Mekka ist der zentrale Ort des Geschehens, mit seiner besonderen Wirkung auf alle Muslime. Hier allerdings geht es um die Besucher nur am Rande, die ihre Hadsch erfüllen wollen. Es geht vor allem um ? zwei Frauen – und ums Geschlechter-Verhältnis, dem der moderne Islam ja offenbar einige Barrieren in den Weg stellt, genauer: in die Wege. Wie die Autorin dies mutig beleuchtet, besser: ausleuchtet, ist schon ein paar Stunden Lesen wert! Auf dass Rezipient klarer sehe, in dem Wust an Prüderie und zeitgleicher Akzeptanz, Lust auszuleben, hinter dem einen oder anderen Deckmäntelchen. Oder er lasse sich ein auf schlichtes Geschehen einer bestimmten Straße, die es wohl in der Jetzt-Zeit nicht mehr gibt, jedenfalls nicht mehr so. Nicht mehr in der Art, wie sie sich selbst darstellt: Auch sie selbst kommt als Erzählerin, interessante Volte! Und dabei ist dieser Roman vordergründig eigentlich ein Krimi, in dessen Zentrum auch ein Kommissar steht. Ein verbissen ermittelnder Detektiv, dessen Rolle sich allerdings wandelt, im Laufe der 600 Seiten. Oder Sie lesen diese als eine Art speziellen „Reisebericht“: „In einer Gasse in Mekkas Altstadt wird eine unbekannte Tote gefunden. Die Bewohner sind in Aufruhr, und allmählich kommt verborgene Geheimnisse an den Tag: verbotene Liebesbeziehungen, Familientragödien, aber auch zwielichtige Geschäfte inmitten dieser aufgewühlten Stadt, in der religiöse Tradition und brutale Spekulation aufeinanderprallen … Geschichte, Gegenwart und Fantasie vereinigen sich zum Lebensbild einer Stadt, die so in der Literatur noch nie beschrieben wurde.“ (Rücktitel) Auch ganz anders als in „Das Halsband der Taube“, einem Buch über die Liebe aus dem 11. Jahrhundert, an das die Autorin ihr Buch wohl auch als Hommage gemeint hat. Übrigens mehrfach mit renommierten Preisen ausgezeichnet und auch heute noch in Paris wie Dschidda lebend, trotzdem dieses Buch ist „… wie eine Mine. Wie zwei Minen, eine Goldmine und eine Tretmine. Ein Roman, der tief in die islamisch-arabische Welt vordringt, der die gesamten über vierzehn islamischen Jahrhunderte abschreitet …“, wie der Übersetzer sein Nachwort einleitet (S. 585ff.). HPR

Hanspeter Reiter