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Das Mittelalter

Autor Chris Wickham
Verlag Klett-Cotta
ISBN 978-3-608-96208-6

„Europa von 500 bis 1500“ gibt den dafür üblichen Zeitrahmen wieder, den der Autor allerdings einerseits fragend diskutiert und letztlich akzeptiert, entsprechend begründet … Und immerhin gibt es einen (Laien-)Autor, der eben diesen Zeitraum in Zweifel zieht, damit argumentierend, dass kaum Belege existieren, wovon primär die Kirche profitieren konnte, mit gefälschten, nachträglich erstellten Dokumenten diverser Art. Nun, damit kann der Autor aufräumen, ohne darauf in irgendeiner Weise Bezug zu nehmen.

Ein rascher Durchlauf
Da ist was geboten! »Bei weitem die beste einbändige Gesamtdarstellung des Mittelalters.« adelt der Experte Paul Freedman von der Yale University diesen schweren Band mit über 500 Seiten (400 Seiten zzgl. ausführlichem Anhang). „1000 Jahre europäisches Mittelalter: Souverän schildert und deutet Chris Wickham eine der bedeutendsten weltgeschichtlichen Epochen neu. Eine ebenso präzise wie grandiose Darstellung eines Jahrtausends, das uns bis heute prägt. Zwischen dem Zusammenbruch des weströmischen Reichs und der Reformation liegt eine 1000-jährige Periode gewaltiger Umwälzungen. In einer elegant geschriebenen, umfassenden Darstellung präsentiert Chris Wickham das europäische Mittelalter als eine Epoche gewaltigen Tatendrangs und tiefgreifenden Wandels.“ Die er zwar entlang der Chronologie entwickelt, doch geschickt immer wieder aufs Neue „auf den Punkt bringt“: Nämlich jeweils entscheidende Momente, die er exzellent kristallisiert. So etwa Christianisierung, die sich offenbar in „fünf unterschiedlichen Regionen fünf ganz unterschiedliche Auswirkungen“ zeitigten (S. 153): Irland, England, Dänemark, Norwegen und Polen. In homogenen Strömungen erkennt und definiert er also je Heterogenes, anders als sonst Geschichtsbetrachtung.

Jahrhunderte im Jahrtausend
… zeigen sich entsprechend als höchst uneinheitlich und sind entsprechend vom Autor zusammen gefasst, etwa im Kapitel 7 „Der lange Wirtschafts-Aufschwung, 950-1300“. Und was sich da getan hat, Bevölkerungswachstum und boomende Wirtschaft einander wechselseitig steigernd, vorm Rückschlag durch die Schwarze Pest, sich danach wieder erholend. Königtum, Adel, Bauernschaft und Bürgertum – Regierungsinstanzen wandelten sich ebenfalls, regional unterschiedlich (siehe etwa S. 240ff.). Bis hin zu den Versammlungen, die sich als vordemokratische Institutionen entwickeln (S. 368ff.). „Stilsicher und klar erklärt er die wichtigsten Veränderungen in den einzelnen Jahrhunderten, zu denen so zentrale Krisen und Ereignisse wie der Untergang des weströmischen Reichs, die Reformen Karls des Großen, die feudale Revolution, die Zerstörung des byzantinischen Reichs, und das entsetzliche Wüten der Pest gehören. Mit erhellenden Momentaufnahmen unterstreicht Wickham, wie sich die verändernden sozialen, ökonomischen und politischen Umstände auf das Alltagsleben der Menschen und auf internationale Ereignisse auswirkten. Der Autor bietet sowohl eine neue Interpretation des europäischen Mittelalters als auch eine provokative neue These, inwiefern und warum das Mittelalter bis in unsere Gegenwart hineinwirkt. Eine der fesselndsten Darstellungen des mittelalterlichen Europa seit Jahrzehnten und ein intellektuelles Abenteuer.“ Wie entwickelt sich die Literatur, entlang der Alphabetisierung der Bevölkerung, siehe „die französische Romantradition des ausgehenden 12. und 13. Jahrhunderts“ (S. 304ff.). Neu für mich auch im Osten die Bedeutung Litauens in der Zeit von 1350-1500, neben und mit Polen (S.355ff.). Ab S. 390 dann als „Schluss“ die kompakte Zusammenfassung seiner Sicht der Dinge, als Einblick ins Füllhorn dieses starken Einbänders: „Das ist genau das Mittelalter, das wir im 21. Jahrhundert kennenlernen müssen.«
John Arnold, University of Cambridge. HPR

Hanspeter Reiter