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Das Paradies der Damen

Autor Emile Zola
Verlag sonstige
ISBN 978-3-86915-031-4

Ein unterhaltsames Lehrbuch für werdende Einzelhandelskaufleute – oder solche, bei denen die Ausbildung lange zurückliegt? Könnte sein, jedenfalls hat Zola ja „damals“ (vor rund 150 Jahren!) sehr intensiv recherchiert, im ersten großen Warenhaus, das in Paris Mitte des 19. Jahrhunderts entstand und nach und ausgebaut wurde. Als Abbild von US-Kaufhäusern, die schon einige Jahrzehnte vorher gegründet worden waren. Ergo hat der Autor sehr wohl gewusst, worüber er schreibt: Ein Gesellschaftsroman seiner Zeit, mit Helden und Lieben, durchaus auch unglücklichen. Und stark die Zustände kritisierend, die Verkäufern wie kleinen Einzelhändlern das Leben schwer machten. Doch auch positive soziale Entwicklungen betonend, die der Protagonistin des Romans zugeschrieben werden: Auch dies geschichtstreu, war es doch die Ehefrau des Warenhaus-Gründers Aristide Boucicaut, die auch nach dessen Tod für bessere Zustände sorgte, etwa in Wohn- und Bewirtungs-Zuständen. Denn die Verkäufer jener Zeit hatten Kost und häufig auch (wenn Junggesell/inn/en) Logis – dafür geringes Einkommen, meist auf Provisionsbasis. 1883 erschienen, „überrascht (der Roman) durch seine Modernität und Aktualität“, so der Einbandtext: Wie wahr!  

Wie oben angedeutet, ist die damals „erfundene“ (oder US-Zuständen nachempfundene) Art der Dekoration und Präsentation, des Führens und Verführens der Kunden, die Sonderangebote als Lockmittel und auch die Gesprächsführung der Verkaufenden exakt das, was in Kaufhäusern auch heutzutage passiert. Dass sich manche Vorgehensweisen überlebt haben, weswegen z.B. ein Karstadt seit Jahren Probleme hat – dass zudem der Onlinehandel vieles verändert hat, dass es eine Renaissance des Spezial-Einzelhandels gegenüber großen Sortimenten gibt, ist schon richtig. Doch vielmehr gilt „back to the roots“, wenn in großen Einkaufs-Passagen und –Malls (siehe Darmstadt Loop5 etc.) einzelne Läden dennoch massiert Kunden empfangen. In München sind das PEP und OEZ, europaweit hat der eben Ende 2011 104-jährig verstorbene Versandhaus-Gründer Werner Otto mit seiner weiteren Gründung ECE Einkaufs-Center-Entwicklungsgesellschaft eine große Zahl ähnlicher Einkaufs-Centren platziert und betreibt sie teils auch in eigener Regie. Dennoch, „Das Paradies der Damen“ (original „Au bonheur des Dames“) ist ein Roman, zudem ein spannender: Leser kann mitleiden und mitfiebern, wenn es um das Schicksal der Hauptpersonen geht, die einen weit mehr als 500 Seiten „begleiten“. Und der Titel sagt auch aus, dass ursprünglich tatsächlich nur Frauen angesprochen waren, mit dieser neuen Form von Einkaufsstätte. Das zeigt sich noch stark in Kaufhäusern wie Beck in München (… am Rathauseck), das ebenfalls bereits seit 150 Jahren besteht – und damit deutlich länger als z.B. KadeWe in Berlin (gegründet 1907). –  

Fazit: Unterhaltsam und weiterbildend zugleich, ob für Verbraucher, Trainer oder Verkäufer …

Hanspeter Reiter