Skip to main content

Das zweite Opfer

Autor Lisa Gardner
Verlag rororo
ISBN 978-3-499-27479-4

„Gardner lässt ihre Leser bis zum Ende rätseln“ meinte die „Publishers Weekly“. Eigentlich sollte das immer so sein, doch hier trifft´s im besonderen Maße zu …

Wer ist Opfer, wer ist Täter?
Schon früh deutet es sich an: In diesem Thriller ist das schwer zu differenzieren – schwerer als in aller Regel bei derlei Geschichten… Geschildert aus rasch wechselnder Perspektive, mal aus jener der zentralen Figur Nicky, dann wieder aus der des „Erzählers“, Meta quasi. So fasst auch der Verlags-Text gleich beide zusammen: „Ich bin auf der Suche nach einem kleinen Mädchen. Ich muss sie retten.“ Und hopp, wechseln: „Aber vielleicht gibt es sie gar nicht … Eigentlich hätte Nicky Frank den Autounfall nicht überleben dürfen. Doch ein Gedanke verleiht ihr die Kraft der Verzweiflung: Vero. Wurde das Mädchen beim Aufprall aus dem Wagen geschleudert? Sergeant Wyatt Foster und sein Team finden allerdings keine Spur von einem zweiten Opfer. Die Ermittler stehen vor einem Rätsel: Existiert Vero nur in Nickys Phantasie?“

Gedächtnis-Spiele?
Jedenfalls scheint es verrückt zu spielen, das der Hauptperson. Wenig verwunderlich, Erkenntnisse moderner Hirnforschung bedenkend. Denn immerhin hat Nicky mehrere Gehirnerschütterungen hinter sich – oder? „Und was hat es mit Nickys angeblicher Hirnverletzung auf sich, zu deren Einzelheiten ihr Ehemann Thomas beharrlich schweigt? Als Wyatt ihn genauer befragen will, ist er plötzlich verschwunden. Das Haus der Franks steht in Flammen. Und dann treffen die Ergebnisse der Spurensicherung ein: Die Fingerabdrücke im Auto gehören zu Veronica Sellers, als Sechsjährige entführt und seit 30 Jahren vermisst – Vero …“. Was ist passiert?! Einer der Ermittler wendet „Gedächtnisübungen“ an, mit deren Hilfe er Nicky zeitlich wie räumlich ins Damals führen will, etwa durch Aufrufen von intensiven Sinnes-Eindrücken, vor allem: Riechen (S. 109ff., später erneut). „Keine Hypnose“ wird verdeutlicht. Tatsächlich kommt die Erinnerung zurück, je intensiver das (Wieder-)Erleben, wie sich zeigt… Und hilfreicher als alle CSI-ähnlichen Ermittlungs-Methoden, klar argumentiert etwa S. 145). Insofern anregend auch für Weiterbildner jeglicher Couleur – ist doch Erinnern entscheidend fürs Lernen! Wie intensiv die Autorin für diesen Roman recherchiert hat, zeigt die Doppelseite „Anmerkungen und Dank“ S. 446f., etwa zum postkommotionellen Syndrom (siehe S. 248ff. und wiederkehrend) als Folge von Gehirnerschütterungen etc. HPR

Hanspeter Reiter