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Der Akademisierungswahn

Autor Julian Nida-Rümelin
Verlag Körber
ISBN 978-3-89684-161-2

Der Untertitel zeigt gleich deutlich: Der Autor schreibt keineswegs wider akademische Bildung, vielmehr ruft er dazu auf, die verschiedenen Ansätze von Bildung zu hinterfragen, jedenfalls die derzeitige Sicht darauf: „Zur Krise beruflicher und akademischer Bildung“. Natürlich geht es auch um den Bologna-Prozess, es geht auch um duale Ausbildung – und es geht darum, mal die Qualitäts- statt der Quantitäts-Brille aufzusetzen. Nida-Rümelin, Philosophie-Professor und als Zwischenspiel auch schon mehrere Jahre in der Politik, weiß den Finger in die Wunden scheinbar schlagender Argumente zu legen, was den Vergleich BRD intern (Bundesländer) oder auch international angeht, inklusive wie jenseits von PISA [&] Co. Letztlich läuft sein Abwägen darauf hinaus, sorgsam ein „sowohl-als auch“ zu verfolgen statt eine rosarote Akademisierungs-Brille aufzusetzen. So kommt er denn zu einem sieben Punkte umfassenden Fazit (S. 214ff.), aus dem einige zentrale Aspekte zitiert seien: Es drohe das bestens aufgestellte duale System zu ruinieren, weil dieses mit nurmehr 30 Prozent eines Jahrgangs mittelfristig kaum überlebensfähig wäre. Hochschul-seitig wiederum gerade die Forschung immer mehr ins Hintertreffen, weil Studiengänge bei (Fach-)Hochschulen wie klassischen Universitäten immer stärker Lehre-orientiert würden. (In diesem Zusammenhang sei an den Anspruch erinnert, künftig auf Pflegekräfte zwingend akademisch zu bilden.) „4. Die bildungsökonomische Begründung für eine möglichst starke Erhöhung der Akademikerquote beruht auf einem Denkfehler und ist auch durch die verfügbaren internationalen Vergleichszahlen widerlegt.“ … und werde durch eine erhoffte Flexibilisierung des Arbeitsmarktes nicht besser begründet. Ein Homogenisieren akademischer Bildung im Sinne eines globalen Marktes („Vergleichbarkeit“) sei weder erforderlich noch hilfreich – meine Worte. Doch den Charme wie das Info-Vergnügen dieses Bandes macht aus, dass ein eloquenter Insider vehement pro Akademisierung argumentiert und diese zugleich als nur einen von mehreren sinnvollen Wegen fokussiert. Wie offen dieses Bildungssystem sinnvoll genutzt wird, zeigt sich mir immer wieder bei der Abschlussprüfung IHK für den Ausbildungsberuf „Kaufleute für Marketingkommunikation“, nämlich bei der abschließenden Frage zum Abschied (bei der praktischen Prüfung), was Prüfling nun weiter plane: Die einen bleiben im Job (bzw. wechseln ihn), andere planen ein Studium unterschiedlicher Art. Fast alle nämlich auf der Basis einer vorher erreichten Hochschul-Berechtigung … HPR

Hanspeter Reiter