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Der Hammer

Autor Dirk Stermann
Verlag Rowohlt
ISBN 978-3-498-04701-6

Klar, ein historischer Roman um das Leben und Wirken eines Dolmetschers – übrigens wohl das einzige Lehnwort aus dem Ungarischen im Deutschen (fürs Österreichische schaut das a bissal anders aus – siehe Palatschinken & Co.), das dieses Wort allerdings selbst aus dem Türkischen entlehnt hat, schon vor langer Zeit…

Einblick in Kultur, Gesellschaft, Politik
… und damit auch in Wirtschaft und – Kriege: In seiner Zeit (1774-1856) finden davon mehr als genug statt. Und das ist es, was diesen Roman zusätzlich lesenswert macht: vielerlei Bezüge zum Geschehen in diesem Zeitalter… Aus kleinen Verhältnissen schafft der fleißige Junge eigentlich den Aufstieg, steht sich allerdings nach exzellenten Examen selbst im Wege: Auf eine Karriere im diplomatischen Dienst im Orient hoffend, ist er im Verhalten exakt das Gegenteil – lässt es an jeglicher Diplomatie fehlen… „Mit 15 Jahren kommt der begabte Joseph Hammer an den Wiener Hof, wo er „Sprachknabe“, Dolmetscher, werden soll. Joseph lernt Türkisch, Arabisch, Persisch, wird nach Konstantinopel entsandt, erlebt den Feldzug gegen Napoleon in Ägypten, sieht, was er nur aus Büchern kannte. Sein Leben lang vermittelt er zwischen Orient und Okzident und ist doch nirgends zuhause. Dass die Welt sein Genie nicht erkennt, schmerzt ihn. Er muss wohl erst etwas ganz Großes leisten: ein vollständiges Exemplar der Geschichten aus 1001. Nacht finden und übersetzen.“ Doch trotz seines Erfolges damit scheitert er wieder, wie so oft.

Eine Geschichte des Scheiterns?
Dennoch, es gibt immerhin Teil-Erfolge, die versöhnlich stimmen (Verleihen eines kleinen Adelstitels an den Vater, Erbe eines Schlosses via einer lieben Freundin, Gründung der von ihm sehnsuchtsvoll erwünschten Akademie – soviel sei verraten), ihn wie auch den Leser. Der freue sich auf informativ Unterhaltsames: „Ein Leben zwischen dem Morgenland und dem genauso fremden Wien um 1800, Stermann erzählt es mit sanfter Ironie: ein mitreißender Roman um ein großes Thema: Die Sucht nach der Ferne, der Wunsch nach Unsterblichkeit.“ Übrigens auf wahrem Leben basierend, worauf der Autor auf S. 443ff. hinweist, Autobiografie plus übersetzte Gedichte zitierend, vertiefende Quellen ergänzend. Viele Einblicke in die Literatur des Orients wie auch in Kommunikation und Organisation in Wien und kk-Reich in jener Zeit: Mehrere Kaiser erlebt der Protagonist, muss sich in unsäglicher Umgebung einleben – und schafft es immer wieder, erneut „aufzustehen“. Auch mithilfe seines einarmigen Dieners, mit dem ihn schließlich eine tiefe Freundschaft verbindet: So übermäßig selbstbewusst Joseph von Hammer auch ist (siehe sein dickes Lob-Buch, in das er fleißig einträgt, was ihn motiviert – und weg lässt, was er einstecken muss), so wenig standesbewusst wird er… HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter