Der Sonnenschirm des Terroristen
Autor | Iori Fujiwara |
Verlag | cass |
ISBN | 978-3-944-75115-3 |
Mehr zum Autor
„… von der Romanistik kommender Autor“ wird er vorgestellt, im Klappentext. Da ahnt Leser dann die eine oder andere autobiografische Note, wenn der Protagonist des Thrillers auch süchtiger Alkoholiker ist, Fujiwara dagegen wohl notorischer Kettenraucher war – und zudem spielsüchtig: Den Krimi soll er geschrieben haben, um Spielschulden bezahlen zu können. Gelungen, muss man sagen, sogar mit einem Preis ausgezeichnet wurde das Werk… Wobei – das ist eher ein politischer zeitgeschichtlicher Roman, in eine Krimi-Handlung gerahmt: Leser erfährt eine Menge über die japanische Gesellschaft Anfang der 1970er wie auch der 1990er Jahre. Dass der bereits 1998 original veröffentlichte Thriller erst vor Kurzem auf Deutsch erschienen ist, mag verwundern. Doch immerhin, er ist!
Die Geschichte eines Terror-Anschlags
Erst einmal findet Leser sich in der „Jetzt-Zeit“, vor einem Viertel-Jahrhundert also: „An einem sonnigen Samstagmorgen im Oktober geht in einem Park mitten in Tokyo eine Bombe hoch. Es gibt zahlreiche Tote und Verletzte. Die Polizei vermutet einen terroristischen Anschlag. Im Park genehmigt sich der abgehalfterte Barkeeper und schwere Alkoholiker Shimamura gerade den ersten Whiskey des Tages, wie immer bei schönem Wetter. Nach der Detonation geht Shimamura sofort auf die Suche nach einem kleinen Mädchen, das ihn wegen seiner zitternden Hände zuvor angesprochen hatte, und sorgt dafür, dass es ins Krankenhaus kommt.“ Frauen spielen sowieso eine wichtige Rolle für den Protagonisten, seien sie jünger, seien sie älter – seien sie aktuell, seien sie erinnert – oder gar beides. „Der heroische Akt hat allerdings einen Preis: die Whiskeyflasche mit Shimamuras Fingerabdrücken bleibt im Park zurück. Shimamura, der wegen der mutmaßlichen Beteiligung an einem Bombenanschlag im Zusammenhang mit den Studentenunruhen der 60er Jahre auf den Fahndungslisten der Polizei steht, lebt unter falschem Namen im Untergrund. Nun wird er wieder gejagt, von der Polizei und von mysteriösen Hintermännern. Ihm bleibt nur die Flucht nach vorne: Er beschließt, der Explosion im Park selbst auf den Grund zu gehen. Dabei bekommt er von unerwarteter Seite Hilfe – von einem Yakuza.“ So, das ist mal das Gerippe der Story …
Handlungen in der Handlung
… führen zu Handlungen der Hauptperson. Denn nach und nach stellt sich heraus, dass der Zufälle einfach zuviele sind: Mehrere Personen im Park haben miteinander zu tun, teils voneinander wissend, teils es erst im Nachhinein recherchierend. Und so führt die Jetztzeit in jene drei Jahrzehnte davor, wirft Erinnerungen auf wie auch Fragen. Erzählt und gestellt in durchaus Stakkato-Stil, (dennoch) gut zu lesen: Der wiederum erinnert an Action-Thriller aus den 1930er Jahren der USA, vielleicht hat der Autor dort Anleihen genommen, rein stilistisch. Wenn dieser Roman auch durchaus literarisch ist, lassen einen die 350 Seiten schwer los – bis sie fertig gelesen sind: Spannung pur, mit diversen Bögen. Und auch der Titel klärt sich schließlich, wenn auch spät: Gelernt habe ich, dass es im Japanischen neben den Haiku auch noch Tanka gibt, etwas andere Dichtung. Zu lernen ist außerdem eine Menge über Tokios Struktur und öffentlichen Verkehr – wie auch über die „japanische Mafia“, die Yakuza. So gesehen, mag der Roman gar als Lokalkrimi durchgehen … HPR