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Der Tod im stillen Winkel des Lebens

Autor Oliver Bottini
Verlag DuMont
ISBN 978-3-8321-9776-6

„Kriminalroman“ ist der schlichte „Untertitel“. Dabei ist das weit mehr, mit seinen mehr als 400 Seiten: Eine Dokufiktion im wahrsten Sinne! So ist die offensichtlich aufwändige (wie wohl auch gefährliche?!) Recherche sogar mit öffentlichen Mitteln unterstützt worden, deutschen wohlgemerkt … Rumänien ist im Fokus des Geschehens, doch auch MeckPomm: Es geht letztlich um Landwirtschaft, Ernährung und – Globalisierung.

Gegenwart = Vergangenheit?!
Der Tod ist allgegenwärtig, in diesem … Roman, damit muss Leser schon aufgrund des Titels auch rechnen – und davor sei gewarnt: „Happy-ending“ ist nicht! Hierum geht es: „Banat/Rumänien 2014: Ioan Cozma hat abgeschlossen mit der Welt. Der Kripo-Kommissar lebt allein, es sind nur noch ein paar Jahre bis zu seiner Pensionierung; wenn er nicht groß auffällt, wird auch niemand in seiner Vergangenheit wühlen. Es ist besser so.“ Und erwartungsgemäß kommt er nicht um Vormaliges herum. Vormalig heißt, vor der Revolution 1989, die Ceaucescus hinweg fegend. Rumänien hat Ähnliches zu verarbeiten wie Deutschland / DDR, wobei die Securitate wohl noch deutlich übler vorging als die Stasi. Das kennt man, das wird mehr als angedeutet. Dazu kommt die Politik von mindestens vier Kindern je Familie, das Gegenteil der chinesischen Politik damaliger Zeit: Auch darüber erfährt Leser Erschütterndes…

Mehr ins Detail …
Auch darüber, was Cozma mit all dem auch persönlich zu tun hat: Denn „…die Welt will ihn nicht in Ruhe lassen. Ausgerechnet Cozma wird die Ermittlungsleitung in einem brutalen Mordfall übertragen: Die junge Lisa Marthen, eine Deutsche, wurde erstochen aufgefunden. Ihrem Vater gehört ein landwirtschaftlicher Großbetrieb, und der Verdacht fällt auf einen seiner jungen Feldarbeiter, der in Lisa verliebt war und seit ihrem Tod verschwunden ist. Als eine Spur nach Mecklenburg führt, macht Cozma sich auf den Weg – und muss feststellen, dass er dort nicht der Einzige ist, der für Gerechtigkeit sorgen will …“. Aufarbeiten gesellschaftlicher Fehlentwicklung, Verarbeiten persönlicher Schuld in Nähe und Distanz, das ist der Kern der Geschichte, im Rahmen von Politik und Wirtschaft. „Oliver Bottini zeigt, wie sich die radikale Einsamkeit des Menschen durch Gier und Machthunger noch verstärkt. Doch eines bricht sich immer wieder Bahn – der Glaube an etwas Gutes und an Menschlichkeit. Die Spannung zwischen diesen Polen ist es, durch die ›Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens‹ eine existenzielle Wucht entfaltet.“

Korruption allerorten
…in Rumänien wie in Deutschland, auch und gerade nach der jeweiligen „Wende“, zu Gunsten der ehemaligen Funktionäre: Darüber „berichtet“ der Autor teils sehr detailliert und bedauerlich klar nachvollziehbar, etwa S. 87f., 175f., S. 234f. Wobei damit globale Zusammenhänge überdeutlich werden: Suche nach Nahrungs-Sicherheit etwa arabischer Staaten, Suche nach alternativen Investitions-Chancen für Ex-DDR-Bürger, kontraproduktive Monokulturen und das „Ausbluten“ kleiner Landwirte in Rumänien. Immerhin ein EU-Land! So gesehen, vertiefende Weiterbildung über wirtschaftspolitisch-gesellschaftliches Geschehen vor unserer Haustür … HPR

Hanspeter Reiter