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Der Untergang des Abendkleides

Autor Ella Carina Werner
Verlag satyr
ISBN 978-3-947-10648-6

„Geschichten“ steht da lapidar als Untertitel, vieldeutig. Geboten ist Satire at ist best, in 33 Episoden! Etwa zur extrem Kombinations-fähigen deutschen Sprache (S. 45ff. „Sommerbalkonweingeschichte“), Anleihen aus Comics (S. 63, geklaut von Liv Strömquist), Herziehen über Algorithmen und deren Austricksen (oh ja, höchst treffend, S. 89ff. „Dicke, haarige Hamster“). Gar ans Anwenden für Weiterbildner jeglicher Couleur dachte ich bei „Welches Tier wären Sie am liebsten?“ (S. 117ff.) oder Gesprächsführung (S. 156: „Das ist nicht schön … Aber weißt du, ich hatte mal eine Patientin…“… „Es gab Menschen, die noch schlimmer dran waren…“). Und dass mir „Finnland, erwache!“ (S. 126ff.) gefallen hat… 

Finger in die Wunde
…vielerlei Themen findet Leser, in mehr oder weniger kurzen Stories. Denn „für eine moderne Frau jenseits der dreißig steckt das Leben voller Fragen: Kann man jetzt noch eine Punkband gründen? Sind Viererbeziehungen nicht doch besser als Zweierbeziehungen? Wenn man dem Mann den Rücken krault, ist das schon unbezahlte Care-Arbeit? Muss man als Mutter Latte macchiato trinken, oder geht auch ein rotziger Filterkaffee? Muss man noch zelten, wenn man schon Geld hat? Und wann beginnt endlich die soziale Weltrevolution? Fragen, denen sich die Ich-Erzählerin gottlob nicht alleine stellen muss, sondern in Zwiegesprächen mit ihren wichtigsten Bezugspersonen. In 30 Geschichten treten auf: Ellas liebenswert-elegante Mutter, ihre überdrehte französischsprachige Cousine, eine blasierte Tante, die doch nicht ganz so verstorbene Urgroßmutter, eine Sextouristin aus Singapur in den Straßen von St. Pauli sowie eine munter-exzentrische Schar weiterer schlagfertiger Damen und der eine oder andere männliche Zaungast.“ Ha, wer da umsonst nach Schmunzeln, Lachen, Kopfschütteln sucht, für den ist Satire wahrlich ein Fremdwort! Noch dazu durchaus ernst zu nehmen, diese 170 Seiten aus dem Leben einer Traudichviel, sich selbst auf die Schippe nehmend – und damit Erlaubnis erhaltend, diese auch mit anderen zu tun. Selbst-Reflexion mag auch auf Leser-Seite passieren  … HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter