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Die Abenteuer des Caleb Williams

Autor William Godwin
Verlag Steidl
ISBN 978-3-96999-260-9

„Mit einem Nachwort von Mary Shelley“, der Tochter des Autors nämlich, selbst Autorin von „Frankenstein“: Geboten ist ein frühes Werk der Kriminal-Literatur (resp. viel mehr als das!) mit deutlich über 450 Seiten…

Ein absolut unfaires Rechtssystem
Der damaligen Zeit nimmt der Autor in den Blick, in England (und rundum) Ende des 18. Jahrhunderts statt findend: „Caleb Williams, ein einfacher Bauernsohn, erhält nach dem Tod seines Vaters die Chance, als Sekretär für den angesehenen Gutsherren Ferdinando Falkland zu arbeiten. Caleb ist außergewöhnlich belesen, feinsinnig und hat eine vielversprechende Zukunft vor sich. Doch seine Wissbegierde führt dazu, dass er eines Tages das Geheimnis seines Herren lüftet. Von nun an ist Caleb seines Lebens nicht mehr sicher. Er wird erbarmungslos gejagt, denn Falkland ist jedes Mittel recht, um ihn zum Schweigen zu bringen. Mit seinem 1794 veröffentlichten Roman über Flucht, Verfolgung und Gefangenschaft hat Godwin ein frühes Meisterwerk der Kriminalliteratur geschaffen. Und gleichzeitig greift er damit hart die Strafgesetzgebung jener Zeit an. Caleb Williams steht exemplarisch für die Opfer eines Systems, in dem »der Mensch zum Zerstörer des Menschen« wird. Seine Zeitgenossen hat dieses eigensinnige Werk zutiefst erschüttert und bis heute hat Godwins Roman über einen zu Unrecht Gepeinigten seine Anziehungskraft nicht verloren. In einer brillanten Neuübersetzung von Alexander Pechmann.“ – und die macht das Besondere aus: Im Schreibstil jener Zeit und zugleich überraschend modern anmutend, im Lesefluss… Und tatsächlich höchst abenteuerlich, denn Caleb schafft es immer wieder, sich aus quasi ausweglosen Situationen heraus zu manövrieren, fast in der Art eines Barons Münchhausen.

Interessante Aspekte der Story
Doch fast im Stil modernen Stalkings bleibt ihm ein Beobachter dicht auf den Fersen, was schließlich zum Aufgeben zwingt. Doch das Finale bietet eine neue Volte… Bis dahin ist viel zu lernen über die damalige Zeit, vor allem übers Verhältnis von Herr und Abhängigen (z.B. S. 107ff., S.180ff. etc.) – und natürlich übers Rechtssystem (S. 148f., S. 394ff. usw.). Über ein Leben auf der Flucht (S. 315ff., S. 340ff. usw.) – und auch übers Verhalten im Gefängnis, um mit dieser Situation zurecht zu kommen statt verrückt zu werden (S. 260ff. z.B.), von anderen Autoren etwas des 20. Jh. ebenfalls thematisiert, siehe: Vernichtungslager… Auch dies noch: Das Lernen von Sprachen mithilfe von Wörterbüchern (S. 419f.), was mich an meinen Finnisch-Lektor während des Studiums erinnert hat, der (als finnischer Muttersprachler) die deutsche Sprache „allerdings“ mithilfe von Meyers Enzyklopädie erlernt haben wollte, wow!

Schreibe und Kontext
…nehmen Mary Shelley (Erinnerungen an…) und Alexander Pechmann (Die Dinge, wie sie sind…) S. 464ff. in den Blick, absolut lesenswert – ob nun nachher oder schon vor der Lektüre der Story: Immerhin die Tochter des Autors, die ihm eine ziemlich objektiv(ivert)e Rezension widmet – und der Neu-Übersetzer dieses historisch interessanten Textes. (Diese Anmerkung sei erlaubt: S. 77 „melkte zehn Kühe“ – hmm, da hätte ich eher „molk“ erwartet, oder? Wenn der Duden auch beide Varianten nennt…) N.B. Gibt´s da Autobiografisches oder zumindest Autofiktionales des Autors in der Handlung? Immerhin ist sein Vorname der Nachname des Protagonisten  … HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter