Die Akte Klabautermann
Autor | Oliver Teutsch |
Verlag | Dielmann |
ISBN | 978-3-86638-343-2 |
„Roman über die Entstehung von Hans Falladas letztem Roman“ wird ergänzend erläutert – und „Die Entstehung eines Weltbestsellers“ untertitelt. Es geht um „Jeder stirbt für sich allein“, erst lange nach des Autors Tod veröffentlicht und unter viel „Ächzen“ erst entstanden – dann allerdings in gerade mal 24 Tagen geschrieben, im Rausch, was übrigens wörtlich zu nehmen ist. Dieser Roman über das lange Werden eines Romans ist quasi zum 75. Todestag von Hans Fallada erschienen.
Jeder stirbt für sich allein
… ist DER Widerstands-Roman im Nachklang zur Nazi-Zeit. Und arg treffend auch für den Autor, worauf der Epilog verweist (S. 305ff.) – und auch für den seiner zweiten Frau: „Oliver Teutsch, Redakteur bei der Frankfurter Rundschau, war von der Wiederentdeckung von Hans Falladas letztem Roman »Jeder stirb für sich allein« so fasziniert, daß er sich auf eine ausführliche Recherche nach der Entstehung dieses Buches machte – und nun seinen eigenen Roman-Erstling geschrieben hat: Über jene wenigen wilden Wochen im Nachkriegsjahr 1946, in denen Rudolf Ditzen alias Hans Fallada sein berühmtes Buch über das Berliner Ehepaar im Widerstand gegen die Nazis schrieb. »Die Vita des zerrissenen Menschen und genialen Romanciers Rudolf Ditzen ist so prall«, sagt Oliver Teutsch, »daß sie für mindestens drei Leben reicht.« – Nach der Lektüre von »Wolf unter Wölfen« kam ihm die Idee, ein biografisches Buch über Fallada zu schreiben. Als er »Jeder stirbt für sich allein« las und erfuhr, dass Fallada diesen letzten epischen Roman in nur wenigen Wochen quasi auf dem Totenbett ausgestoßen und die Veröffentlichung nicht mehr erlebt hatte, begann er 2014 ausführlich zu recherchieren. Nach und nach schälte sich die wirkliche Entstehungsgeschichte heraus: Der Roman war eine Auftragsarbeit nach Vorlage einer Gestapo-Akte, die Johannes R. Becher an Fallada herangetragen hatte. Der aber wehrte sich, schwer mit Alkohol und Morphium kämpfend, zäh gegen den Romanstoff – weil er ihn deprimierend fand. Während das vom Krieg zerstörte Berlin aus seinen Trümmern heraus zu neuem Leben kommt, spielt sich um Fallada die Entstehungsgeschichte eines Romans ab, die ebenso spannend wie der Weltbestseller selbst ist. Und die zudem eine imposante Galerie von Figuren im Gepäck hat.“ Eine starke Analyse, quasi ein Sach-Roman, biografisch und zeitgeschichtlich. Im Mittelpunkt natürlich Fallada, „ein ewiger Gymnasiast“, wie ihn Erich Kästner wohl charakterisiert hat (S. 270 etc.) – und so kommt er hier auch rüber.
Panorama von Ort, Zeit und Branche
Der Autor schafft es, für die zwei geschilderten Jahre vielerlei geschickt zu verpacken, vielmehr: auszupacken: Was alles geschah im Nachklang der Eroberung Berlins u.a. durch die Sowjetunion, wie erging es den aus dem Moskauer Exil zurück geschickten Autoren und Medienleuten? Verlage, handelnde Personen, Theater (S. 96f. etwas), Film: All das findet Leser, mit vielerlei bekannten Namen und deren Schicksale, z.B. Ernst Rowohlt oder Gerhart Hauptmann, der kurz vorm Fallada-Ableben zu Grabe getragen wird. Nazi-Nähe, Entnazifizierung, Nürnberger Prozesse: Was hat das mit den Menschen gemacht? Sucht (Morphium & Co.), Prokrastination und Rollen“spiele“ im Rahmen von Abhängigkeiten, rund um Johannes Becher (als Präsident des neu gegründeten Kulturbundes) geschildert und lebendig gemacht, eingebaut in Dialoge, mit emotional gefärbten Gedankenspielen ergänzt, etwa zwischen Becher und Ditzen (rund um S. 178 z.B.). Ein Panorama, gar ein Panoptikum im Berlin 1945/46. Spannend, informativ, nachdenklich machend – und anregend, den einen oder anderen Fallada-Roman mal wieder zur Hand zu nehmen – oder erstmals?! Sei es „Kleiner Mann, was nun?“ oder eben „Jeder stirbt für sich allein“. HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de