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Die distanzierte Mitte

Autor Andreas Zick et al (Hg.)
Verlag Dietz
ISBN 978-3-8012-0665-9

„Rechtsextreme und demokratiegefährdende Einstellungen in Deutschland 2022/23“ bringt die Ergebnisse der aktuellen Ausgabe dieser Langzeit-Studie auf weit über 400 lesenswerten wie nachdenklich machenden Seiten.

Alles Rechtsruck oder was?
Naja, das wäre nach diesen Ergebnissen etwas einseitig, wenn auch grundsätzlich korrekt in den basalen Aussagen. Hat das seine Gründe? Nun, „die Pandemiefolgen sind noch nicht bewältigt, die Inflation hoch, die Klimakrise immer virulenter, da entstehen mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und dessen Folgen für Sicherheit und Energieversorgung weitere Herausforderungen für die »Mitte«. Unsicherheiten und Verteilungskonflikte bieten das Einfallstor für antidemokratische Positionen und rechtsextreme Ideologien, wie auch zur Abwertung der »Anderen«. Die Demokratie, ihre Grundprinzipien, Abläufe und Institutionen werden von einigen zunehmend mit Distanz betrachtet. Zugleich geht eine demokratiefeste »Mitte« auf klare Distanz zu den Feind*innen der Demokratie und fragt sich, ob sie diese Distanz überbrücken kann und will. Die neue FES-»Mitte«-Studie 2022/23 beleuchtet Demokratie-gefährdende Einstellungen und Hintergründe und regt zur Debatte an. Mit Beiträgen von Sabine Achour, Mathias Albert, Hannes Delto, Frank Faulbaum, Eva Groß, Jens Hellmann, Lena Hilkermeier, Andreas Hövermann, Torben Hüster, Beate Küpper, Souad Lamroubal, Alexander Mavroudis, Nico Mokros, Claudia Neu, Amelie Nickel, Jonas H. Rees, Fritz Reusswig, Elif Sandal-Önal und Andreas Zick.“ Ein weites Feld, in der Tat: Gut gelungen ist vor allem, dass über die reine Studien-Auswertung hinaus diverse weitere Teil-Perspektiven eingenommen sind.

Das wird beleuchtet
…in 13 Kapiteln, die durch einige Praxis-Erlebnisse ergänzt sind, überschrieben mit „Mittendrin“: Die distanzierte Mitte – eine Annäherung an das Verhältnis der Mitte zur Demokratie in Krisenzeiten * Die empirische Grundlage der Mitte-Studie 2022/23 – Methodik und Design * Rechtsextreme Einstellungen in der Mitte * Demokratie-gefährdende Radikalisierung in der Mitte (Mittendrin – in der Querfront) * Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zwischen Krisen- und Konfliktbewältigung (Mittendrin – Mysterium Ausländerbehörde…) * Willkommen in D? Einstellungen zur Nachrangigkeit Neuhinzukommender * Krisenungewissheit und ihr Zusammenhang zu anti- und pro-demokratischen Überzeugungen * Entsicherte Marktförmigkeit als Treiber eines libertären Autoritarismus (Mittendrin – Aufwachsen in Armut) * Der Ukrainekrieg und die Mitte zwischen Pazifismus und Militarismus * Klimapolitische Einstellungen im Kontext des Krieges gegen die U * Anspruchshaltung, politische Position und die Zuschreibung von Ungleichwertigkeit (Mittendrin – im Sportverein) * Einsamkeit, Feindseligkeit und Populismus * Politische Bildung für eine (nicht) distanzierte Mitte. Hier zeigt sich schon in Begriffen, wie weit gefasst Studie und Interpretation zu sein haben – bestens nachvollziehbar. Apropos Sprache: Wie entscheidend gewählte Begriffe sind, wird mehrfach adressiert, etwa S. 265 (armutsensible Sprache) – und in einem Glossar aufgelöst (S. 378ff., primär Marktforschung). Fazit: Wer mitreden will, in einem Konglomerat kaum mehr aufzulösender Diskurse, greife zur Studie! Digital-online übrigens gratis, siehe hier: https://www.fes.de/referat-demokratie-gesellschaft-und-innovation/gegen-rechtsextremismus/mitte-studie-2023 HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter