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Die Erzählungen

Autor Heimito von Doderer
Verlag C.H.Beck
ISBN 978-3-406-70130-6

Der Band vereinigt die gesamte Kurzprosa aus den 1920er bis 1950er Jahren dieses imposanten und dank der „Die Strudlhofstiege“, „Dämonen“ berühmt gewordenen Schriftstellers: sieben Divertimenti, Kurz- und Kürzestgeschichten, Erzählungen und Meine neunzehn Lebensläufe, samt Anmerkungen und eines – -wie stets – äußerst lesenswerten Nachwortes des vermutlich besten Doderer-Kenners, Wendelin Schmidt-Dengler.

Bereits in den Divertimenti (hauptsächlich entstanden in der Zeit nach seiner Rückkehr aus russischer Gefangenschaft, in den 1920ern) versucht Heimito von Doderer, der Form Vorrang vor dem Inhalt einzuräumen – ein Thema, das ihn niemals verlässt. Der Schwerpunkt liegt auf der Komposition, nicht aus Material oder Themen der Erzählungen, wenngleich der Leser sich zunächst, der Gewohnheit gemäß, auf die Inhalte konzentriert. Zu erwähnen ist auch, dass das parallele Erzählen auf einer Seite bereits bei Doderer zu finden ist, dem das Prinzip der „Vertretbarkeit der Motive“ zugrunde liegt, demzufolge verschiedene Inhalte derselben Funktion dienen (Nachwort S. 504).

Das umso mehr, als diese von Doderer als „heitere Kurzprosa“ verstandenen Kurzerzählungen vorzugsweise für die mündliche bzw. szenische Darbietung verfasst wurden. Das „Heitere“ verdankt sich der Dodererischen Eigenheit, Historisches, Absurdes, Fantastisches, Melancholisches und Groteskes zu verbinden, was eine nicht immer leichte Lektüre bedeutet. Das trifft auf sämtliche Erzählungen zu, die einmal mehr, einmal weniger auch Biographisches streifen bzw. durch Biographisches veranlasst sind.

Leser der Hauptwerke, insbesondere „Die Strudlhofstiege“ und „Dämonen“, werden zudem ihnen bekanntes Personal begegnen, etwa René von Stangeler. Und auch Motive finden sich, die für den Schriftsteller typisch sind, so etwa Form/ Inhalt, Objektivität und Verschwinden des Autors hinter dem Text, die Notwendigkeit von Umwegen für die Menschwerdung, einschließlich der Rolle des Zufalls und externalen Verursachung von Umwegen. Wendelin Schmidt-Dengler sieht in den Erzählungen selbst einen Umweg, den Umweg Heimito von Doderers auf dem Weg zu seinen Hauptromanen (Nachwort s. 504).

„Die Erzählungen“ eignen sich weniger als Einstieg in den Doderer-Kosmos. Der Leser erleichtert sich die Lektüre, die viel Aufmerksamkeit verlangt, und kann die besondere, metapherreiche Sprache, die Schilderungen von Stimmungen, Natur und Örtlichkeiten eher genießen, wenn er vorher eingestimmt ist. Dafür eignen sich die zwei genannten Hauptwerke ebenso wie „Ein Mord, den jeder begeht“ und „Die Wasserfälle von Slunji“. Empfohlen sei auch, zwei Werke über den Schriftsteller zu lesen, beide bei C.H. Beck erschienen: „Kontinent Doderer“ von Klaus Nüchtern und „Jederzeit besuchsfähig. Über Heimito von Doderer“ von Wendelin Schmidt-Dengler. www.dr-mahlmann.de www.gabal.de

Regina Mahlmann