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Die Evolution der Phantasie

Autor Thomas Junker
Verlag Hirzel
ISBN 978-3-7776-2180-7

„Wie der Mensch zum Künstler wurde“, dieser Frage geht der Autor nach: Was hat sich wie wann genetisch verändert, deshalb „Evolution“? Oder sind das schlicht kulturelle Aspekte, also nurture statt nature? Wohl letztlich beides, jedoch trifft der Autor (u.a. auf der U4) eine klare Aussage: „Lange haben Evolutionsbiologen die Grundlage der Kunst im Schönheitssinn des Menschen gesucht. Doch Kunst ist viel mehr – sie hat ganz verschiedene Seiten, über die oft heftig gestritten wird … Sie kann uns Vergnügen bereiten, aber auch zum Nachdenken anregen. Wie diese vielen Formen und Aspekte der Kunst in unserer Evolution entstanden sind, untersucht dieses Buch. Es beschreibt, wie sich die Kunst entwickelt hat, warum sie uns begeistert und warum sie ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Natur ist.“ Sic, unserer Natur! Dazu gibt im Kapitel 4 „Wie ist Kunst entstanden“ (ab S. 139ff.) dann – ausgehend von „Evolutionäre Zwänge“ ein Hinführen, das „vor 4 Milliarden Jahren“ beginnt und in mehreren Stufen schließlich hier landet: „vor 100000 Jahren: Die Kunst wird mächtig“ und so des Menschen Zeichen. Um dorthin zu kommen, untersucht der Autor zunächst ausgiebig Kunst an sich: Wie wird Kunst erklärt? Wie funktioniert Kunst? Welches Problem soll Kunst lösen? Darin dann zeigt er auf, wie er Evolution und Kunst in Einklang bringt (S. 127ff.), nämlich mit diesen Überschriften: Selektionsvorteile der Kunst – Ein vernetztes Ganzes – Der neue Superorganismus – Gruppenselektion und Teamgeist: Viel Kooperation steckt da drin, also Gruppenvorteil vor Individuums-Vorteil … Das passt zu anderen Evolutions-Sichtweisen unseres Zeitalters, siehe etwa E.O. Wilson „Die soziale Eroberung der Erde“, von mir hier ebenfalls rezensiert. Von der Gegenwart führt uns Thomas Junker zudem via Vergangenheit zu Künftigem: „Wird es in der Zukunft noch Kunst geben?“ fragt er provozierend in seinem Abschluss-Kapitel (S. 167ff.) – und antwortet so, bevor er einen ausführlichen Apparat an Fußnoten und Literatur bietet: „Ob eine Gemeinschaft selten oder häufig auf dieses Werkzeug zurückgreift, wird sich [sic!] unterscheiden. Dass sie völlig ohne es auskommt, halte ich aus biologischer Sicht für ausgeschlossen. Kunst ist eine der eindrucksvollsten Erfindungen der Evolution.“ Doch letztlich gilt auch für die persönliche Meinung des Lesers: Über Kunst soll man nicht streiten, abgeleitet von „über Geschmack …“. Womit sich gerade über Kunst trefflich streiten lässt J … HPR

Hanspeter Reiter