Skip to main content

Die gute Tochter

Autor Karin Slaughter
Verlag Harper Collins
ISBN 978-3-95967-110-1

„Thriller“ ist die schlichte Bezeichnung dieses 600-Seiten-Romans. Treffender geht´s kaum: Dramaturgisch exzellent aufbereitet, wechseln sich Passagen tiefschürfender (Selbst-)Reflexion ab mit der Schilderung teils brutaler Gewalt-Szenen – und die in wechselnder Erinnerung …

Erinnerung als Konstruktion
Wie unser Gehirn mit Erlebtem umgeht, ist ein wiederkehrendes Thema, siehe etwa Suggestiv-Fragen bei Verhören der Polizei. Was derlei bewirken kann, lässt die Autorin LeserIn quasi hautnah erleben, an der Person der Hauptverdächtigen, einer gerade eben mal 18-jährigen Schülerin, deren Realitäts-Nähe stark zu hinterfragen ist (z.B. S. 422). Und sie zeigt anhand wiederholter Schilderung nahegehender Erlebnisse, wie sehr a. die Sicht verschiedener Menschen sich doch unterscheiden kann und b. sogar die eigene, je nach Zeit und Umständen (siehe vor allem die eine der Töchter, Charlie, die viel verdrängt hat). Auf die Plästizität des menschlichen Gehirns verschiedenster Regionen kann sich LeserIn ebenfalls einlassen, wenn es darum geht, wie die andre der beiden Töchter (Sam, ist sie „die gute“?!) mit den (Spät-)Folgen ihrer Hirnschäden nach Kopfschuss umgeht (z.B. S. 247ff.).

Tochter-Rollen
Vielerlei Bezihungs-Themen sind in diesem Thriller verarbeitet, fast nebenbei – und schließlich doch auch mit entscheidend für die weiteren Abläufe: Die Töchter mit ihrem Vater, vor dem katastrophalen Ereignis der Vergangenheit auch zu ihrer Mutter (die dabei erschossen wird, gleich zu Anfang des Buches). Die Töchter mit jeweils ihrem Ehemann … Und die ältere mit der jüngeren: „“Lauf!“, fleht ihre große Schwester Samantha. Mit vorgehaltener Waffe treiben zwei maskierte Männer Charlotte und sie an den Waldrand. „Lauf weg!“ Und Charlie läuft. An diesem Tag. Und danach ihr ganzes Leben. Sie ist getrieben von den Erinnerungen an jene grauenvolle Attacke in ihrer Kindheit. Die blutigen Knochen ihrer erschossenen Mutter. Die Todesangst ihrer Schwester. Das Keuchen ihres Verfolgers.“

Never-ending Story…
Und tatsächlich ist das eine Geschichte, die nicht enden will: „Als Töchter eines berüchtigten Anwalts waren sie stets die Verstoßenen, die Gehetzten. 28 Jahre später ist Charlie selbst erfolgreiche Anwältin. Als sie Zeugin einer weiteren brutalen Bluttat wird, holt ihre Geschichte sie ganz ungeahnt ein. „Die gute Tochter“ ist ein Meisterwerk psychologischer Spannung. Nie ist es Karin Slaughter besser gelungen, ihren Figuren bis tief in die Seele zu schauen und jede Einzelne mit Schuld und Leid gleichermaßen zu belegen.“ Mit dieser Verlags-eigenen Aussage bin ich durchaus einverstanden! Atmen Sie auf, nachdem Sie den besonderen Plot dieses Thrillers sich er-lesen haben werden … HPR

Hanspeter Reiter