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Die Hochhaus-Springerin

Autor Julia von Lucadou
Verlag Hanser Berlin
ISBN 978-3-446-26039-9

Fantasy, SciFi, Dokufiktion?! Romanig jedenfalls vielleicht eine Art „Zukunfts-Krimi“, der doch allzu sehr in der Gegenwart fußt: Mensch und Maschine?

Soziale Medien, unsoziale Folgen?!
Stichworte, die wir kennen (meine, fokussierend): Enabling, Neuro-Enhancement, Wearables, Youtuber: Leistungsorientierung via Views, Abrufe & Co. macht diese Welt aus. Scheinbar fair, da Grenzen überschreitend. Doch wer aus derlei „Karriere“ heraus- und wieder in sein unscheinbareres Leben zurück fällt, fällt tief. Und unterliegt nicht nur Bot-Kontrolle, vielmehr auch jener sozialen des eigenen Umfelds: „Riva ist Hochhausspringerin – ein perfekt funktionierender Mensch mit Millionen Fans. Doch plötzlich weigert sie sich zu trainieren. Kameras sind allgegenwärtig in ihrer Welt, aber sie weiß nicht, dass sie gezielt beobachtet wird: Hitomi, eine andere junge Frau, soll Riva wieder gefügig machen. Wenn sie ihren Auftrag nicht erfüllt, droht die Ausweisung in die Peripherien, wo die Menschen im Schmutz leben, ohne Möglichkeit, der Gesellschaft zu dienen. Was macht den Menschen menschlich, wenn er perfekt funktioniert?“ Laufend wird sie überwacht, soll von der Psychologin Hitomi wieder in Höchstleistung „geführt“ werden. Doch die beginnt zu zweifeln, holt sich selbst einen Parentbot mit Mutteroption (S. 77ff. etc.).

„Schöne“ neue Welt?
Neben 1984 gibt es zeitgenössische Literatur, die derlei Themen prononciert aufgreift, etwa „The Circle“. Und dieser Roman schlägt durchaus in die gleiche Kerbe, mit anderer Perspektive, dennoch: klar und deutlich … „Die Hochhausspringerin“ führt in eine brillante neue Welt, die so plausibel ist wie bitterkalt. Julia von Lucadou erzählt von ihr mit der Meisterschaft der großen Erzählungen über unsere Zukunft.“ Schöne neue Welt also? Ein furioses Finale fokussiert die Ambivalenz nur allzu deutlich …

Genre ganz im Sinne des Lesers?!
Um meine Einstiegs-Frage nochmals aufzugreifen: SciFi und/oder Dokufiktion? Die Handlung scheint jedenfalls in der Zukunft zu liegen – es kann eine durchaus nahe sein, man mag es bedauern. Denn scheinbare Selbst-Kontrolle unterliegt in der Regel jener von anderer Seite: Alle Daten, die wir zum Selbst-Optimieren schaffen, sind greifbar für andere. Vorsicht achten oder was? Manipulation allerorten jedenfalls, direkte und indirekte, unmittelbare und ferne, reale und (schein-)virtuelle: Muster dafür präsentiert die Autorin gar zu viele – und gar zu glaubhaft. Siehe etwa S. 166 und drumherum, beim Einsatz einer Art Führungsperson (Zarnee bei Riva mit NLP-Elementen wie „Spiegeln“, beobachtet von Hitomi)… Wow! Und oh wei … HPR

Hanspeter Reiter