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Die Larve

Autor Jo Nesbo
Verlag sonstige
ISBN 978-3-550-08873-5

Das ist nun der 9. Fall mit Harry Hole, wie sich aus der Übersicht hinten im Buch ergibt: Da muss ich sehen, mir noch einige „ältere“ zu besorgen, tatsächlich kenne ich erst zwei oder drei. Und wenn die anderen ähnlich spannend sind – schluck! Der Autor macht es dem Leser weniger leicht, hinter die Verstrickungen zu kommen, was bei 561 Seiten durchaus auch nötig ist, um die Spannung zu halten resp. immer wieder zu schaffen. Dass der Ex-Kommissar überhaupt erneut aus Hongkong „nach Hause“ kommt, dafür braucht es schon einen besonderen Anlass, nachdem er endlich trocken ist und sein Leben im Griff hat: Es geht um seinen (Ex-)Pflegesohn, der unter Mordanklage steht. Schwierige Situation in mehrfacher Perspektive, man nehme nur fehlende Distanz zum Fall … Wie auch immer, HH schafft auch das, unter anderem mithilfe seiner alten Verbindungen und trotz vielerlei Widerstände diverser Polizeikreise. Schließlich löst er den Fall und vor allem: die Hintergründe dazu. Es tut sich ein wahrer Abgrund auf, soviel sei verraten. Und das Harry Hole den Sohn seiner Ex-Liebe schließlich aus dem Gefängnis frei kriegt, ist bei Weitem nicht das Ende der Geschichte!

In der übrigens sehr eindringlich psychologische Abläufe fühlbar gemacht werden – und Marktgesetze, wie sie auch (und nicht nur) in kriminellen Milieus gelten, hier: Drogen. Ein Auszug von S. 195 mag das zeigen: „Bodendecker, lieber Gusto, sagte er und trank einen Schluck Kaffee. Das ist Unkraut, das man pflanzt und ungehindert wachsen lässt, um so zu verhindern, dass anderes Unkraut aufkommt. Ganz einfach, weil Klee die weniger schlechte Alternative ist. Verstehst du? Ich glaube schon, sagte ich, Wo ohnehin Unkraut wächst, ist es besser, einem Unkraut auf den Weg zu helfen, das die Erdbeeren nicht kaputt macht.“ Schau an, auch die „Unterwelt“ arbeitet mit Metaphern: Hier geht es darum, den Drogenmarkt (scheinbar) in den Griff zu kriegen, in dem wild wucherndes Dealertum „ausgemerzt“ wird und wohl organisiertes gehegt … Hmm.

Hier habe ich den Ich-Erzähler zitiert, der die Geschichte in Auszügen begleitet, die ansonsten aus neutraler Perspektive wieder gegeben wird. Seine Beiträge fügen sich bestens ins Versteckspiel, das zum Schluss ein durchaus anderes Ergebnis zeitigt als Leser meinen mag … Etwa mit der Antwort auf die Frage, als was entpuppt sich (oder zu was?) denn die „Larve“ – zum Schmetterling, der den Schutzumschlag-Titel ziert – oder doch (via Zwischen-Verpuppung) als etwas Anderes? Und: wer ist eigentlich die Larve? Schließlich: geht es weiter mit Harry Hole – „trotzdem“ – und wenn ja: wie? Während zurzeit (Ende 2011) gerade Henning Mankell in der Fachpresse  zitiert wird, wonach er doch überlegt, eine Fortsetzung seines Wallander zu schreiben, wenn auch als Randfigur, mit der Tochter als Kommissarin im Mittelpunkt (und parallel gerade „Der Chinese“ als Verfilmung in der ARD zu sehen war), bleibt das für die zentrale Figur hier offen.

Hanspeter Reiter