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Die Logik der Sorge.

Autor Bernhard Stiegler
Verlag sonstige
Seiten 190 Seiten
ISBN 978-3518260067
Preis 10,00

Der französische Philosoph Bernhard Stiegler und der Physiker Robert B. Laughlin wollen uns den Intellekt öffnen. B. Stiegler für den Preis, den wir durch zunehmende Technisierung und medial erzeugte Erwartungen und Wirklichkeiten zahlen, und R. B. Laughlin für den Preis, den wir zahlen, indem Wissen unter der Chiffre des Eigentums gehandelt wird.

Der Zugang zu den Gedanken B. Stieglers (dem die Nähe zu J. Derrida anzumerken ist) ist nichts für eilige Leser. Die Lektüre fordert dem Leser ab, geduldig und wohlwollend sich einzulassen auf eine zunächst sperrig und eckig wirkende Sprache und eine ungewöhnliche Gedankenführung – es ist, als wolle der Autor seine Botschaft, kritisch und neuartig selbst zu denken, in der kleinen Schrift anwenden. Es finden sich Rekurse auf und Verflechtungen zwischen antiken Philosophen der griechischen Antike, Philosophen wie Husserl und Heidegger, die sich der menschlichen Existenz, dem Sein gewidmet haben, sowie Kant, Derrida und Foucault, die sich sowohl der „Mündigkeit“ des Menschen, der Frage seiner kontextspezifischen, diskurs- und dispositiv-abhängigen Existenz als auch der Frage zuwandten, wie ein verantwortungsbewusstes und „Sorge-tragendes“ Denken, Fühlen und Handeln aussehen kann; zudem finden wir die psychoanalytische Denkfigur, gesellschaftskritische Diskurselemente aus der Soziologie und der Soziolinguistik. Die Argumentation knüpft an an praktisches Geschehen (im französischen Rechtssystem, konkret: eine Gesetzesinitiative zur Straffähigkeit Minderjähriger), in der französischen Politik und Bildung (TV, Werbekampagne im französischen Canal J); sie verarbeitet empirische Studien und konzeptionelle Überlegungen aus Neurowissenschaften und Pharmakologie, und der Autor bindet seine streckenweise philosophischen und theoretischen Überlegungen immer wieder an solche zurück, wie sie sich in der gesellschaftlichen Praxis, besonders im Recht, in Bildung, Erziehung, öffentliche Medien und Kommunikationstechnologien) bewähren können.

Der ambitionierte Leser wird also belohnt zum einen dadurch, dass er ungewöhnliche und anspruchsvolle Denkbewegungen mitvollzieht, fast in rhizomatischer Form (J. Deleuze und F. Guattari) und sich auf diese Weise (im Sinne der Aufklärung des Selbstdenkens) selber klar macht, wodurch sich das Urteil des Autors konstituiert: Die Macht der Medien, der Wandel der „Disziplinargesellschaften zu Kontrollgesellschaften, deren Psychotechnologie das Zentralorgan im Dienst des Marketing“ (157) geworden ist, prägt sowohl eine bestimmte Form der Ökonomie der Aufmerksamkeit als auch die psychische Konstitution (sie „formiert“)und trägt maßgeblich dazu bei, dass wir von einer „Infantilisierung“ der Einzelnen und der Gesellschaft sprechen müssen, insofern die mediale Steuerung unseres Denkens, Fühlens, Agierens, unserer Aufmerksamkeit und Wahrnehmung, unseres „psychischen Apparates“  in Verantwortungslosigkeit mündet, die strukturell wird. Der Leser wird zum anderen belohnt dadurch, dass er den praktischen Vorschlägen, die der Autor anregt, folgen und diese kritisch „bedenken“ kann. Die leidenschaftlich geführte Argumentation zielt ausnahmslos darauf hin, die Logik der Sorge (wieder) zu nähren, durchaus mit Hilfe der Psychotechnologien. Diese gilt es in den Dienst zu stellen: der Aufmerksamkeit, der Mündigkeit, der Bildung, der Sorge um und für sich und um und für andere.

Dr. Regina Mahlmann
www.dr-mahlmann.de
drmahlmann@aol.com

Dr. Regina Mahlmann