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Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft

Autor Jeremy Rifkin
Verlag Campus
ISBN 978-3-593-39917-1

„Das Internet der Dinge, kollaboratives Gemeingut und der Rückzug des Kapitalismus“ – hmm, geht das in die Richtung von Piketty´s Kaptalismus-Kritik? Nun, der Ansatz ist jedenfalls ein völlig anderer, nämlich: Internet – Kommunikation – Energie, als Trilogie für die Zukunft. In einem Rückblick leitet der bekannte Autor (und Positiv-Kritiker) die Entwicklung des Homo Oeconomicus (sozusagen als Grundlage für Kapitalismus) aus der Geschichte her, etwa die protestantische Weltsicht (S. 91ff.): „Obwohl weder Luther noch Calvin die Absicht hatten, die Gläubigen ihrer Spiritualität zu berauben und den H.o. zu schaffen, der Gedanke, sein Los zu verbessern, war bald nicht mehr zu unterscheiden von der Arbeit an seinem wirtschaftlichen Wohlergehen.“ Das Umgehen mit der Datenflut der Jetztzeit als zentrale Herausforderung widmet Rifkin viel Platz – da gehören allgegenwärtige Algorithmen mit rein, auch Fragen von Verarbeiten (Quanten-Computer) und Speichern (etwa in DNS-Codierung, s.S. 130). 3-D-Drucker vor allem für die Industrie mag den (deutschen führenden!) Maschinenbau umkrempeln (S. 154f.) – doch ich frage mich, ob jemand schon mal daran gedacht hat, dass sich logistisch wenig(er) ändern (als erwartet): Das erforderliche Pulver (ob nun Metall oder Kunststoff) muss auch irgendwie transportiert werden – künftig an (mindestens) genau so viele Stellen wie aktuell die Online-Bestellungen?! Insoweit ist zu hinterfragen, ob es wirklich zu einer (im Text „nur“ Nahezu-)Grenzkosten-Gesellschaft kommen kann oder schlicht ein Verschieben zwischen Branchen und Arten von Unternehmen (vermehrt hin zu Dienstleistungen?) entstehen wird – was übrigens auch fürs allgegenwärtig gepredigte Teilen gilt, siehe Airbnb, siehe Uber [&] Co. … Für unsereins Weiterbildner wichtig alles rund um MOOCs, bei Rifkin verarbeitet im Kapitel „Der Niedergang des Klassenzimmers alter Schule“, wogegen zunächst wenig zu sagen ist J … Er benennt Coursera und andere beispielhaft und fokussiert darin (u.a.) den Community-Aspekt: Mehr und mehr Lehrendes werde auf andere Teilnehmende übertragen. Nun, da geht es um neue Rollen von Trainern und Beratern … Doch zurück zur zentralen Trilogie (z.B. S. 217): „Die Nutzung der Nahezu-null-Grenzkosten-Kommunikation zur Verwaltung von NnG-Energie aus regenerativen Quellen gibt der Gesellschaft die kritische Operationsplattform für den Ausbau der IdD-Infrastruktur und damit den Wechsel des ökonomischen Paradigmas an die Hand.“ Sieben „Bauprinzipien“ zitiert er für erfolgreiches Allmende-Wirtschaften (S. 237), darunter etwa „klar definierte Grenzen“, „Aneigungsregeln“ und demokratisches Entscheiden. Letztlich braucht es also – Führung J … Rifkin warnt vor Monopolisierung durch „Schwergewichte im virtuellen Raum“ (S. 296), durch kaum beobachtetes Aufkaufen von Patenten: „2011 ersteigerten Apple, Microsoft und andere Unternehmen Nortels 6000 Patente…“, nur als Beispiel. Alles drängt gen neue Gesellschaftsformen, etwa Kooperativen (S. 310ff.: Regeln usw.). Letztlich werde auch klar, dass „Teilen mehr Spaß macht als Kaufen“, womit er andere Autoren zitiert (S. 348). Und vielerlei Beispiele kann er zusteuern, wobei er durchaus aus eigenem Erleben konkretisiert, aus einer Unternehmer-Familie kommend – siehe Commons-Währung etc. (S. 376ff.). Doch ist das die Lösung? „der Non-Profit-Sektor … sei keine unabhängige wirtschaftliche Kraft, sondern vielmehr abhängig von Kontrakten des staatlichen Auftragswesens und privater Philanthropie.“ (S. 392, Zitat anderer; doch wer ist denn „der Staat“ eigentlich J …?!) Hoffnung macht ihm die nachwachsende Generation (S. 410): „Diese neuen Studien kommen mit anderen Worten zu dem Ergebnis, dass Millennier weniger daran interessiert sind, mit materialistischen Trends mitzuhalten, und weniger besessen vom Konsumismus als Way of Life.“ Rifkin schlicht mit seinem „Nachwort – Eine ganz persönliche Bemerkung zum Schluss“ (S. 443ff.), u.a. mit seinem realistisch-optimistischen Appell: „Die gewaltigen sozialen Kräfte, die die kommende Null-Grenzkosten-Gesellschaft entfesseln wird, wirken sowohl disruptiv als auch befreiend.“ Teilen [&] Tauschen als Zukunft der Wirtschafts-Systeme? Man wird sehen, vielerlei Anklänge dazu jedenfalls zeigen sich … Wer mag, lese hierzu auch diverse umfassende Detail-Kritiken aus der Presse! HPR

Hanspeter Reiter