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Die Party bei den Jacks

Autor Thomas Wolfe
Verlag sonstige
Seiten 352 Seiten
ISBN 978 3 7175 2234 8
Preis 24,95

Immer wieder wird in Besprechungen des in diversen Hinsichten herausragenden und auch innerhalb des Wolfeschen Schaffens besonderen Spätwerks Thomas Wolfes hervorgehoben, wie es die Vielfältigkeit der Upper Class und ihrem Epizentrum am Vortag der Großen Depression schildert, seziert, ironisiert, distanziert-humorvoll vorführt und insofern eine Art Milieustudie ist.

Die Einzelbetrachtungen von Personen treten dabei in den Hintergrund, und dabei sind sie es, die die Kapitel füllen und die Miliestudie erst ermöglichen – neben Analogien zu New York, seiner Architektur und dem Erleben derselben durch die Protagonisten. Einzelnen Personen ist ein bzw. sind mehrere Kapitel gewidmet, etwa Mr. Frederick Jack, seiner Frau Esther, aber auch einzelnen Bediensteten und der Großen Stadt.

Die ersten 42 Seiten sind Mr. Jack gewidmet, eröffnet durch eine Szene in der Schule einer deutschen Kleinstadt und fortgeführt durch die Heimkehr des in der Ferne reich Gewordenen in den Ort seiner ersten 17 Lebensjahre – ein Ort, der sich kaum verändert zu haben scheint und dessen Bewohner nur älter, aber nicht anders geworden sind. Sie schildern das Erleben dieser Heimkehr nach mehreren Jahrzehnten in den USA – einer polar konstruierten Welt, in der Mr. Jack reüssiert ist. Die Ambivalenz, die Thomas Wolfe den Heimkehrer durchleiden lässt, ist in einer Mischung aus Empathie, Mitleid, wohlwollendem Humor detailliert beschrieben, ohne einem psychologistischen Jargon zu erliegen. (Das gilt für alle weiteren Charakterstudien ebenso.) Der Leser wird in die Schilderung derartig eingesogen, dass er einerseits mit dem „Helden“ leidet, andererseits sich in Gelächter ergießt, sobald er die Metasicht einnimmt und die Absurdität der Ereignisse, der Verhaltensweisen der Verwandten von Mr. Jack in Bezug auf diesen sowie dessen emotionale, intellektuelle und behaviorale Antwort darauf aus der Autoren- bzw. Beobachterperspektive liest.

Den Übergang in die Welt New Yorks formuliert der Autor so, dass alles Folgende als Erinnerung erscheint: „Dann – aus dem Traum der Zeit in den Traum der Zeit – erwachte Mr. Frederick Jack mit traurigen, ersterbenden Klängen im Kopf, und er wusste sofort, dass es Morgen war, der zweite Mai des Jahres neunzehnhundertachtundzwanzig. Ein freundlicher, heller Tag, und endlich Frühling, dachte er mit dem Frohlocken des Golfspielers. Der April war vorbei.“ (42) Und dann erleben die Leser, wie Mr. Jack in seiner New Yorker Wohnung aufwacht, was er denkt, fühlt, betrachtet und innerhalb welcher Infrastruktur er dies tut. Anschließend ähnlich und mit veränderten Akzenten sind wir Zeugen des Aufwachens von Mrs. Jack. Weitere Personenperspektiven folgen, teils in Dialogen, teils in einer soziologischen Betrachtung, teils in Gedankengängen, die Bewusstseinsströmen ähneln. Auch einzelne Gäste der Party werden in dieser Manier vorgestellt. In dieser Melange mit ihren Analogien zu einzelnen Charakteristika zu New York wird dem Leser das nahe gebracht und miterlebbar gemacht, was dem Buch den Titel „Milieustudie“ einbringt.

Wem daran gelegen ist, die sprachlichen Ornamente, das rhetorische Dekor, die metaphorischen Bezüge, die literarischen Anspielungen zu genießen, sollte dieses Spätwerk in einer Zeit der Muße und nicht nebenbei lesen.

Dem Nachwort von Kurt Darsow ist unter anderem zu entnehmen, dass „Party bei den Jacks“, dessen „Plot“ biografisch unterlegt ist, das (lektorierte) Resultat aus einem „Labyrinth von Entwürfen“ aus der Hinterlassenschaft des Autors ist. Eingedenk der Bemühung, vorsichtig und im Zweifel mehr Text zu lassen als zu streichen, erklären sich manche Wiederholungen im Text, die dem Leser auffallen, ihn verwundern und schließlich, dank des Nachworts, erklärlich werden als ein charakteristisches Merkmal des Thomas Wolfeschen Stils. Die Absicht, die damit verbunden ist, nämlich die Vertrautheit des Lesers mit einzelnen Figuren durch einen Anker in der Form von Eigenschaftszuschreibungen oder anderen Typiken unmittelbar herzustellen, dämmert dem Leser und wird im Nachwort bestätigt.

Dem Verständnis hilfreich erweist sich nicht nur das Nachwort, das das Werk in Leben und Schaffen des Autors einordnet und stilistische, lexikalische und syntaktische Eigenheiten erläutert, sondern auch die Hinweise zur Übersetzung und die Fußnoten.

Dieses Buch zu lesen, ist gerade wegen der „verstiegene(n), maßlose(n), alle Formgrenzen überscheitende(n) Prosakunst“ (Kurt Darsow) purer Genuss für jene, die – neben Erkenntnisgewinn – das Literarische an Literatur schätzen. Hier finden sie ein Werk, das mehr als ein Mal gelesen werden sollte: Unmodern, hineinziehend, bewunderungswürdig.

Dr. Regina Mahlmann, www.dr-mahlmann.de

 

Dr. Regina Mahlmann