Skip to main content

Die schwarze Lilie

Autor Dirk Schümer
Verlag Zsolnay
ISBN 978-3-552-07356-2

„Nach „Die schwarze Rose“ die Fortsetzung von Dirk Schümer – dem „großartigen Geschichtenerzähler“ (Donna Leon)“, historisch Interessantes unterhaltsam aufbereitet und erzählt, auf gut 600 Seiten.

Gelobt sei Gott – und unser Geschäft!
… zeigt, wie eng Geld und Kirche (tatsächlich nur?) seinerzeit verquickt sind – und ist das Motto des Bankhauses der Peruzzi, das bei festlichen Gelegenheiten gerne zitiert wird. Und die gibt es durchaus, obwohl gerade die Pest wütet (S. 70 zur „Behandlung“ etc.) … Geschrieben wird das Jahr „1348: In der Finanzmetropole Florenz wütet die Pest, während die Söhne des mächtigen Bankiers Pacino Peruzzi nacheinander ermordet werden. Wittekind Tentronk, den es als Agent des Patriarchen aus Avignon an den Arno verschlagen hat, erkennt zu spät einen blutigen Wettlauf um Geld und Rache, den er nur verlieren kann. Wie in seinem vielbeachteten Roman „Die schwarze Rose“ spannt Dirk Schümer einen Bogen in die Gegenwart. Er erzählt von der größten Bankenpleite vor 2008, von der schlimmsten Pandemie aller Zeiten, vom Krieg auf der Krim, aber auch von Wittekinds Liebe zu der schönen Marktfrau Cioccia und einem illustren Freundeskreis um den erfolglosen Poeten Boccaccio und Dantes versoffenen Sohn Jacopo.“ Ein historischer Lokal-Thriller ist daraus entstanden, wenn Leser so will: Fokus Florenz kurz vor 1350 (nahe dem Ende des Mittelalters?!) – und mit einer Vielzahl an Ermordeten, zu den Pest-Toten. Auch dazu gibt es eine interessante Erklärung… Quasi als Buch im Buch wird zudem eine Vor-Geschichte erzählt, in der Wittekind sich um einen entfleuchten anderen Sohn des Peruzzi kümmert – in Caffa (S. 338-S.422, inkl. Treffen mit William von Baskerville, inkl. Logik-Rätsel S. 382f.).

Wahre Ereignisse
…sind ins Fiktive verwoben, dazu kommen vielfache Anklänge an historische Personen und Geschehnisse, insofern ein echter Geschichts- und Finanz-Roman, der auch wirre Banken-Geschäfte bestens nachvollziehbar erklärt. Leser lasse sich einführen in eine Gesellschaft, die auch eine frühkapitalistische genannt werden könnte – und so heute (hoffentlich) kaum mehr vorstellbar ist. Kulturell hoch fliegend, hier repräsentiert durch Literaten wie Boccaccio (der ein großes Werk verspricht, das ja auch folgte: Dekameron, erläutert u.a. S. 304 – und Alighieri durch Zitate), weiter Künstler (etwa Taddeo, der über seinen Meister und Lehrer Giotto erzählt S. 110f.) – und Philosophen-Theologen wie die Williams (von Occam und Baskerville). „Natürlich“ ist die Kirche quasi minütlich mit an Bord, sei es die Inquisition, seien es Franziskaner und Beginen: Mit Geld ist eine Menge zu bewegen, im Guten wie im Schlechten. Und dass die Stammkneipe des deutschen Leibwächters (und Ermittlers!) ausgerechnet Purgatorium heißt  … Und das Ausstrahlen auf heute lässt sich leicht nachvollziehen:

(Vor)gestern wie heute?
Nun, Trump, Wirecard & Co. belegen nur zu deutlich, dass auch im 21. Jahrhundert Tricksen und Täuschen zum Repertoire der Finanz-Jongleure vielerlei Couleur gehören (hier u.a. S. 146f., S. 165f., S. 466ff.)! Und natürlich die Seilschaften wie anno dazumal (S. 188f., S. 198f. usw.). Und z.B. Ken Follett hat in einem seiner historischen Romane ähnliche Szenarien ausgangs des 19. Jahrhunderts beschrieben: Dort spielten Kupfer-Minen in Südamerika eine Betrugs-relevante Rolle (Die Pfeiler der Macht, or. A Dangerous Fortune). Neben Gier und Neid gibt´s allerdings in den belletristischen Varianten auch dies: Liebes- und andere Beziehungen. Fazit: Eine unterhaltsam-informative Lektüre, zugleich gar lehrreich, manche Geschehnisse auch und gerade der heutigen Zeit besser verstehen und nachvollziehen zu können! N.B. Zu recherchieren bleibt, ob tatsächlich schon damals eine Vorform von Fußball gespielt wurde (Calcio, S. 238f. usw.) – womit tatsächlich Italien das Mutterland des Fußballs wäre  … Lesen! HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter