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Die Traumdiebe

Autor Cherie Dimaline
Verlag Heyne fliegt
ISBN 978-3-453-27269-9

„In einer zerstörten Welt sind Träume ebenso wertvoll wie gefährlich“ verweist der Rückseiten-Titel auf eine Zeit nach der Klima-Katastrophe – ein Buch der Zeit also. Und eines, das in die Welt der Indigenen Kanadas führt – in ihr Denken, ihre Traditionen. Die Nr. 1 der kanadischen Bestseller-Liste, mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet! Fürs quasi verlängerte Jahr mit Kanada als Gast der Frankfurter Buchmesse …

Kanadas indigene Völker
…haben eine ähnlich drastische Geschichte hinter sich wie jene etwa Australiens – oder ganz nah der USA: Ihren Räumen und Traditionen entwurzelt, zwangserzogen und unterdrückt. Davon berichtet dieser SciFi-Fantasy-All-Age-Band auch, allerdings in die Zukunft gespiegelt und aus jener zurück gespielt … „Kanada nach der Klimakatastrophe: Die Welt ist hart und unmenschlich geworden. Die Menschen haben die Fähigkeit zu träumen verloren. Nur die wenigen überlebenden Ureinwohner können es noch – und werden deswegen gnadenlos gejagt. Der 16-jährige Frenchie hat so seine ganze Familie verloren. Aber er hat eine neue gefunden: Träumer wie er, die gemeinsam durch die Wildnis des Nordens ziehen, immer auf der Flucht vor den Traumdieben. Ein paar Kinder und Jugendliche, einige Erwachsene und die wunderbare, rebellische Rose. Kann die Macht ihrer Geschichten und das Wissen ihrer Ahnen sie schützen?“ Beim Lesen fühlte ich mich an mancherlei andere Literatur erinnert, sei es GungHo!, in dem ein ähnlicher Kontext grafisch umgesetzt Zusammen- und Widerspiel der Generationen in einer umkämpften Welt darstellt. Oder an das, was über australische Indigene berichtet wird, ihre Traumreisen und andere Traditionen.

Träume sind verloren
… und bilden die Metapher für vergessenes Wissen und Verzweiflung darüber, nichts (mehr) ändern zu können: Nun suchen die Machthaber Chancen darin, jenen ihre Träume zu stehlen, die noch über welche verfügen (siehe etwa S. 120f.). Auch deshalb, weil die verbale Tradition des Geschichten-Erzählens Inhalte verfügbar hält, über Verschriftetes hinaus (siehe S. 137 z.B. „… dass, Gute-Nacht-Geschichten Träume bringen könnten“). Die hohe Bedeutung des Gesangs als Medium für erzählte Inhalte spielt auch hier eine Rolle (S. 227 etwa). Wobei Schrift auch hier vorhanden ist und teils gelesen werden kann (wie auch die alte Sprache wieder erweckt wird), siehe etwa S. 204 „… die Kerben aus einer Reihe absichtlicher Schnitte bestanden … das ist Silbenschrift“. Diese Traditionen, diese Geschichten zu erhalten, darum kümmert sich auch die Gruppe intensiv, die zusammen gefunden und sich organisiert hat, demokratisch-autokratisch geführt: „Der Rat verbrachte ziemlich viel Zeit damit, die wenigen Worte und Bilder, die jeder von uns mitbrachte, zusammenzutragen“ – Das Verschmelzen mit und in der Natur, klischeehaft die Storys über nordamerikanische Indianer schmückend, erlebt Leser hier glaubhaft mit (S. 165 z.B. übers lautlose (An-)Schleichen: „Es fühlte sich an, wie durch den Wald zu schwimmen…“). HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter