Die Unersättlichen
Autor | Greg Smith |
Verlag | Rowohl |
ISBN | 978-3-498-06056-5 |
„Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab“ – und zwar wohl mit „Klarname“, trotz des nach Pseudonym klingenden Autoren: Er wäre aufgrund der vielen konkreten Details, wann er wo wie als was in der Bank tätig war, unmittelbar identifizierbar. Doch ist er ja keiner Mafia entsprungen, sondern einem seriösen Finanzinstitut, sollte man meinen. Jedenfalls ist das „Trainee-Programm“, das er als Newcomer absolvieren darf (und muss), höchst seriös, für einen Außenstehenden, der vielleicht auch die Brille des potenziellen Investors aufsetzt. Siehe Prüfungen, um bestimmte Beratungen überhaupt durchführen zu dürfen – wobei die Youngsters schon andeuten, wohin der Weg auch von Goldman Sachs bald gehen wird: Wetten nämlich, die auch auf die Prüfungsergebnisse der KollegInnen abgegeben werden (S.59). Typisch britisch? Ne, da ist Greg Smith noch in den USA … Übrigens nach exzellenter Schulausbildung auf dem Weg, bewusst Karriere zu machen. Wozu gehört, dass er sich eben diese Bank aussucht – was er zwar nicht bereuen wird, die ihn jedoch aufgrund der veränderten Firmenkultur und –politik ihn schließlich enttäuscht. Denn durch den Wechsel von Personen im Top-Management verändern sich Perspektiven und Herangehensweisen von „Kunde ist Mittelpunkt“ tatsächlich hin zu „Kunde ist Mittel. Punkt!“ – nämlich für Rendite der Bank. Aus bewusster Kooperation wird eher Konfrontation … Algorithmen sind es schließlich, die bestimmen, welche Produkte angeboten werden (Mathematik first, siehe S. 100ff. etc.). LeserIn erhält durch das Buch hindurch jedenfalls einen exzellenten Crashkurs in Investment-Kunde (z.B. Handel: Brief-/Geldkurs, siehe S. 113 – usw.). Wie Kultur wirken kann, z.B. dies (S. 165): „Außerdem war ich von Goldmann gebeten worden, in diesem Sommer das Praktikumsprogramm als Praktikumsmanager mitzuorganisieren. Auf diesen Punkt war ich besonders stolz. Offenbar sah die Firma mich als einen Kulturträger an – jemanden, der das verkörperte und vermittelte, wofür Goldmann Sachs stand.“ Da war noch alles paletti – doch nur wenige Monate später viel verändert: Derivate first! Die erklärt der Autor wie folgt, sehr plastisch (S. 218): „Solche strukturierten Derivate zu kaufen ist ein wenig so, als würde man in den Supermarkt gehen und eine Dose Thunfisch kaufen … Man nimmt die Dose mit nach Hause und kann dort in aller Regel den leckeren Thunfisch essen. Aber angenommen, man macht die Dose auf und findet darin Hundefutter … dann schaut man auf die Rückseite … Dort stehet in einer Schrift, die so klein ist, dass man sie fast nicht entziffern kann: „Enthält vielleicht keinen Thunfisch. Enthält vielleicht Hundefutter.““ Nun ja … Dennoch bleibt Smith zunächst am Ball – und setzt fort, was er vorher entwickelt hat: Analyse-Artikel schreiben, die von seinen KollegInnen (weltweit) gerne aufgenommen und sogar an Kunden weiter gereicht werden: Auch hier definiert sich Expertentum verstärkt durch Schreiben! Fortgesetzt auch, nachdem er nach London versetzt worden ist: Neue Kultur, neue Kunden. Er schafft das, trotz Gegenwinds – doch irgendwann gilt auch für ihn: „Genug ist genug!“ – und er setzt sich ab, mit in der Zeitung veröffentlichten Analyse des für ihn nicht mehr akzeptablen Marktgeschehens: Hut ab! Wobei er naturgemäß in der Zeit davor gut verdient hat, wie man es von Investment-Bankern kennt. Gut gepolstert lässt sich natürlich leichter absetzen. Was seinen Verdienst kaum schmälert, mal Einblick in derlei Geschehen gegeben zu haben. Leser versteht so (noch) besser, warum gerade Großbritannien so stark gegen die Regulierung des Bankengewerbes schießt. Pflichtlektüre! HPR