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Einführung in die Medienwissenschaft

Autor Hickethier, Knut
Verlag sonstige
Seiten 400 Seiten
ISBN 978-3476023513
Preis 27,95

Der Autor, Professor für Medienwissenschaft an der Universität Hamburg, legt eine aktualisierte wissenschaftliche Einführung in sein Fachgebiet vor. Primär wendet er sich an Studierende. Zu empfehlen ist es allerdings auch jenen Personen, die mit „Multimedia“ zu tun haben, also Personen in Lehrberufen, Aus-, Weiter- Fortbildung in Organisationen und Unternehmen. Allerdings sollten sie eines mitbringen: Freude an differenzierter wissenschaftlicher Betrachtung, Analyse und Theorie.

Die Ausführungen sind immer klar, werden von dem souveränen Ton eines Experten getragen, dessen Anliegen es ist, verstanden zu werden und – das Buch ist eine Einführung – intellektuell breit und gleichzeitig unter einem speziellen Blickwinkel zu bahnen.

Den Blickwinkel nennt Knut Hickethier bereits im Vorwort und betrifft sein Selbstverständnis der von ihm vorgestellten Medienwissenschaft: „Medienwissenschaft ist nicht transdisziplinär, stellt keine Metawissenschaft dar, sondern sucht interdisziplinär die Kooperation zur Medienforschung in anderen Fächern.“ (S. 2) Dieses Verständnis löst er ein; denn er stellt beispielsweise Bezüge her zu Kulturanthropologie und Literatur, zu Linguistik und Kommunikationswissenschaft, zu Philosophie (Sozialphilosophie, Sprachphilosophie), zu Geschichte und Technik. Er „vertritt ein text- und kulturwissenschaftliche Konzept“ (ausgehend von Theater- und Literaturwissenschaft) und befasst sich „vor allem mit den technisch-apparativen Medien Film, Fernsehen, Radio und Internet“ (ebd.).

Die Einführung ist in vier Teile, diese wiederum in Unterkapitel gegliedert. Der Autor sapnnt einen weiten Bogen: Er führt in unterschiedliche Begriffe und Konzepte von Medien als Sprechen von, über, in Medien ein, klärt Grundbegriffe und differenziert Medien- und Kommunikationswissenschaft. Es geht weiter mit Geschichte, Entwicklung, Konzepten und Modellen von Medien und Medienbegriffen sowie von Medienwirklichkeiten.

Durch die medienwissenschaftliche Brille werden vertraute und weniger vertraute Termini , Konzepte, Modelle und Theorien angeschaut: Kommunikation im Kontext von Multimedia (Bedeutung, Digitalisierung); Zeichen und Bedeutung (philosophische, linguistische, fotographische, filmische und akustische Aspekte), Wandlung von Zeichenhaftigkeit und Zeichen; Bildkonzepte in unterschiedlichen Medien und Bildhaftigkeit (manifest, objektiviert, innere, ungegenständliche, bewegte, unbewegte Bilder), ferner werden Bildarten und Bildtheorie skizziert und die Themen Simulation und Täuschung aufgenommen. Selbstredend wird die Thematik des Textes aufgenommen: Verständnisse, Gebrauchsweisen und Funktionen in differenten Medien, Textformen, Hypertext-Eigentümlichkeiten. Form, Idee oder Inhalt und ihre Inszenierungen, narrativ, filmisch, fotografisch, werden vorgestellt und schließlich noch einmal der Text, dieses Mal als Teil eines größeren Ganzen, als Puzzleteil, das einer übergreifenden Einheit zugehört und in dieser Zuordnung verstanden werden soll. Der Leser etwas über diese Kontexte anhand der Begriffe Serie, Werk, Genre oder Format und Programm. Die Einheit geht über das Produkt hinaus, etwa der Film oder Medienwelten als Gesamtkontexte mit ihren spezifischen Ordnungskategorien. Medienproduktion und –rezeption werden als mediale Prozesse und spezifische Formen eingeführt und – etwa bezüglich der Medienrezeption – Begrifflichkeit, Verfahren und Forschungsansätze skizziert.

Der Medienwissenschaftler, der immer auch die gesellschaftliche und kulturelle Dimension in die Erläuterungen und Darstellungen einstreut bzw. methodisch integriert, greift den durch Michel Foucault bekannt gewordenen Begriff des Dispositivs auf und befasst sich mit den Dispositiven der Macht im Sinn von Einflussnahme und Gestaltung. Der Dispositivbegriff wird sowohl allgemein als auch auf die medienwissenschaftliche Betrachtung bezogen erklärt. Zudem wird er anhand einzelner Medien dekliniert (Kino, TV, Radio, Internet – hier als Frage). In beiden Fällen dient er dazu, Erklärungskonzepte zu finden, die die Funktion und Bedeutung von Medien und Einzelnen und Medien und Gesellschaft thematisieren. Von dort ist es nur ein kleiner Schritt zu dem Item „Öffentlichkeit“ bzw. „Öffentlichkeiten“ und „Örtlichkeiten“ – beide ungewöhnlicherweise im Plural. Wo von Öffentlichkeit die Rede ist, ist der Sozialphilosoph Jürgen Habermas nah, so auch hier. Aber selbstverständlich erläutert der Autor die Begriffe und Konzepte, das Erleben von Räumen und Grenzen, Kategorien und Wandlungen über Habermas hinaus. Diesen erhellenden, spannend zu lesenden und manche Nachdenklichkeit auslösenden Teil schließt ein Kapitel über Medien, Kultur und Kulturmedien ab. Anthropologische und medienanthropologische Überlegungen zu medialen Wirkungen, Medienfunktionen und –agenten, zu Zeit, Raum und Intermedialität, der Wechselwirkung zwischen Mensch und Medien geben nicht nur Einblick, sondern verführen dazu, den Literaturhinweisen nachzugehen.

Im anschließenden Teil werden einzelne Medien behandelt: Film, TV, Radio, Computer/Internet, und in Teil V, dem letzten, komme alle auf ihre Kosten, die mehr wissen möchten über wissenschaftliche Medienanalyse, über die Geschichte und über Medientheorien.

Ein Buch, das gerade in unserer multimedial durchkomponierten Lebenswelt des Lesens wert ist und von jenen gelesen werden sollte, die mit Web 2.0 und Social Media im Bildungs- und Beratungsbereich zu tun haben! Es geht nicht darum, alle Ausführungen referieren zu können, sondern es geht um das, was Neurowissenschaftler Bahnung oder Priming nennen: Was Leser außerhalb des universitären Raum mitbekommen, ist wenigstens dies: eine mentale Sensibilisierung und eine gewachsene Wahrscheinlichkeit, mehr von dem zu verstehen, was als „neuartige Kompetenzen“ der Multimedianer apostrophiert wird sowie: eine Erweiterung des persönlichen Denkspektrums.

Dr. Regina Mahlmann, www.dr-mahlmann.de

Dr. Regina Mahlmann