Skip to main content

Embodied communication

Autor Maja Storch, Wolfgang Tschacher
Verlag Huber
ISBN 978-3-456-85453-3

Ähnlich wie das populär geschriebene Buch zum Embodiment von Thalma Lobel: „Du denkst nicht mit dem Kopf allein. Vom geheimen Eigenleben unserer Sinne.“ (Campus, Frankfurt/M 2015) legt das Autorenpaar außerordentlichen Wert darauf, dass Kommunizieren und andere kognitive Akte körperbasiert sind und nicht auf das Verstehen von Botschaften zielt, weil es letztere nicht gebe und ersteres unmöglich sei.

 

Während Thalma Lobel noch differenziert, immerhin den Kopf noch zum Körper zählt und den Geist (Psyche, Intellekt) durchwirkt von Sensorik darstellt, pointiert das Autoren-Duo derart, dass man zunächst meint, Gehirn und Kopf seien dem Körper äußerlich.

 

Die Pointe ist rasch formuliert: Gelingende Kommunikation basiert primär (zuweilen auch: allein) auf affektiver Stimmlage und zeigt sich in dem „Gefühl der Stimmigkeit“. Das Körpermoment kommt zum Zuge, insofern affektives Erleben als in erster Linie körperliches Empfinden definiert wird, etwa physiologische Reaktionen oder mimische Bewegungen. In der Kommunikation werden keine „fixen Botschaften“ transportiert, die verstanden werden können. Sondern: Kommunikative Inhalte stellen sich in der Kommunikation via Selbstorganisation her. – Würden diese steilen Thesen theoretisch fundiert diskutiert, wäre das eine helle Freude. Werden sie leider nicht. Es muss eine grobe Vereinfachung genügen, die unterhaltsam dargestellt wird.

 

Merkwürdigerweise bauschen die zwei Autoren diese Wechselwirkung zwischen Körper und Psyche/Geist und vice versa auf, als handle es sich um eine neue und noch dazu bahnbrechende Erkenntnis. Dem gegenüber lässt er sich in der jüngeren Vergangenheit bereits bei Uexküll und Merleau-Ponty ausmachen, ferner in Psychosomatik, Psychomotorik, Phänomenologie, Ausdruckstheorie, Ethnomethodologie, interaktionistische Ansätze in Linguistik und Ästhetik, Metaphernforschung (Lakoff wird immerhin kurz erwähnt), Relationalismus oder Konstruktionismus (Gergen/Gergen).

 

Nichts Neues also. Körpereingewobenheit aller kommunikativen Akte ist heute trivial, und die Autoren konzedieren dies, indem sie etwa auf die Robotik verweisen und auf Experimente, Untersuchungen im Rahmen des Embodiment-Ansatzes. Die Gegnerschaften „Kanaltheorie gegen Embodied Communication“, „Reduktionismus gegen Interdisziplinarität“ entbehren der Grundlage, bringen einen bestenfalls überschaubaren Erkenntnisgewinn und nehmen in dem ohnehin schmalen Büchlein viel Platz ein.

 

Ein Fragezeichen und Neugier erzeugt gewiss die These, es gehe beim Kommunizieren nicht um Verstehen von Botschaften, sondern um ein „Stimmigkeitsgefühl“ der Kommunizierenden. Intuition, Kahnemans System 1, Spontaneität, Bauchgefühl – alles Begriffe, die nicht genannt werden, indes das semantische Feld umreißen, weil das „Stimmigkeitsgefühl“ als affektive Reaktion – Damasios Somatische Marker werden genannt für leibliche Gedächtnisbildung –  apostrophiert ist. Mehr im Behauptungs- als im Erläuterungsmodus vorgetragen, werden die psychologischen und kognitiven Fallen eines solchen Gelingenskonzepts nicht diskutiert, ebenso wenig theoretische Aporien, sprachpragmatische und handlungspraktische Folgen bei strikter Anwendung. Die Übungen, die angeboten werden, überdecken diese Lücken, allerdings nur solange, wie Leser einer sympathisierenden affektiven Reaktion auf die unterhaltsame Lektüre folgen.

 

Erst zum Ende des Büchleins hin expliziert das Duo, dass Affekte in Gesprächen, in denen es um Fakten geht (z.B. Autoreparatur), nicht genügen, um von einer gelingenden Kommunikation zu sprechen. Die Übungsanleitungen zeigen sowohl konzeptionelle Inkonsistenzen als auch – erfreulich für Anwender – pragmatischen Sinn. Etwa rekurrieren sie implizit auf gängige gesprächs- und systempsychologische Figuren und wenden, trotz der expressis verbis verabschiedeten Rede vom Verstehen-des-anderen, sie das Konzept implizit an, etwa wenn sie Übungen und Tipps formulieren, um mit eigener Affektregulation und –manifestation die der anderen zu beeinflussen und Stimmigkeit herzustellen.

 

Embodied Communication ist – wie der gesamte Ansatz – nichts genuin Neues, sondern betont, zuweilen zu einseitig, den Einfluss von Sensorik und Leiblichkeit auf sämtliche Lebensäußerungen. Darauf aufmerksam zu machen, scheint sinnvoll. Da die Autoren allerdings das Einander-Sehen als Bedingung der Möglichkeit für gelingende, „stimmige“ Kommunikation bestimmen, bleibt zu fragen, welche Auswirkungen das Abnehmen einer solchen visuell geprägten Kommunikation in Alltag und Beruf hat – und wie embodied communication dabei helfen kann, dennoch gelingend zu kommunizieren.

 

Dr. Regina Mahlmann, www.dr-mahlmann.de

regina mahlmann