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Empfindliche Wahrheit

Autor John Le Carré
Verlag Ullstein
ISBN 978-3-550-08036-4

Dieser Autor schreibt nun seit fünf Jahrzehnten – und sein „Genre“ ist der Geheimdienst-Thriller, denke an „Bube, Dame, König, As“ oder auch „Verräter wie wir“, in dem er die Strukturen britischer Geheimdienst kritisch unter die Lupe nahm – in Fiction-Form natürlich. Somit ein diskreter Whistleblower? Immerhin war le Carré selbst einige Zeit im britischen Geheimdienst, wenn auch „lang, lang ist´s her“ … Auch der nun vorliegende lässt wieder einmal tief blicken: Wer versteckt sich hinter wem, welcher Geheimdienst (US, GB, …) hat diesen Einsatz eigentlich veranlasst – und mit welchen Zielen? Und wieso wird ausgerechnet ein zweit- oder eher fünftrangiger Sesselfurzer als Projektleiter definiert? Die (scheinbar) eigentliche Geschichte ist kurz erzählt: In der britischen Kolonie Gibraltar findet eine streng geheime Anti-Terror-Operation statt: Ein islamistischer Waffenkäufer soll entführt werden. Die Drahtzieher: Fergus Quinn, ein hochrangiges Regierungsmitglied, und Jay Crispin, Chef einer internationalen Sicherheitsfirma. Tony Bell, ein Mitarbeiter Quinns, stolpert über die geheime Aktion. Irgendetwas ist an der Sache faul und soll vertuscht werden. Seine Nachforschungen bringen ihn in eine gefährliche Lage. Tony muss sich zwischen seinem Gewissen und der Verpflichtung gegenüber dem britischen Geheimdienst entscheiden.“ (Klappentext) Heißt auch, ob er seine infolge dieser Operation gewonnene Höherstufung mit entsprechender Alterssicherung aufzugeben bereit ist – und was meint seine Frau dazu? Er selbst war damals vor Ort, als die Aktion aus dem Ruder lief. So jedenfalls stellt es sich im Nachhinein heraus, als er zufällig über den damaligen Leiter an der Front stolpert, der aus dem System geflogen ist. Nach und nach kommt er dahinter – und erlebt, dass dies jenem Menschen (auch noch) das Leben kostet. Und was ist das, mit Quinn und Crispin? –  In Zeiten von NSA [&] Co. (plus den britischen Varianten) eine Geschichte, die besonders aufmerken lässt. Im Original übrigens betitelt „A Delicate Truth“, was ich – bei aller offenbar gelungener, gut lesbarer Übersetzung – deutsch lieber und besser als „delikate“ oder „heikle“ Wahrheit gesehen hätte … Dabei ist der Thriller frisch wie eh und je, von Alterswerk nun wahrlich keine Spur. Anders als Ian Fleming´s James-Bond-Geschichten bildet die gelegentlich aufpoppende „action“ nur die Camouflage für eine starke Handlung … HPR

Hanspeter Reiter