Erinnere dich
Autor | Elina Hirvonen |
Verlag | dtv premium |
ISBN | 978-3-423-24624-8 |
Die Erinnerungen zweier Menschen sozusagen im Dialog: zusammen geführt in einer Geschichte, die letztlich eine gemeinsame ist – zumindest eine von Zusammensein. Mit ähnlichen Schicksalen in Vergangenheit wie auch Gegenwart, das macht diesen Roman so besonders. Denn wenn Anna und Ian einander Früheres erzählen, ist das zwar einerseits Aufarbeiten von Kindheits-Erlebnissen. Zugleich ist all das eng mit Gegenwärtigem verwoben, etwa via Annas Bruder Joona, der in einer Nervenklinik leben muss. Und wenn Anna meint, nach diversen gescheiterten Männer-Bekanntschaften (immer Opfer, die sie betüttelt hat) nun „den“ Mann gefunden zu haben, deutlich älter als sie (Sehnsucht nach einem Vater, anders als ihr wirklicher?), zeigt sich: auch der braucht wieder besondere Pflege. Sie Finnin, er Amerikaner – hat´s auch damit etwas zu tun? Er arbeitet 911 auf, was ihm besonders in Finnland besonders schwer fällt, siehe heftige Demonstrationen gegen amerikanisches Kriegstreiben. Leser merkt, die Geschichte spielt 2001 … Geschrieben von einer Journalistin, die derzeit ihre Prosa in Sambia schreibt, von wo aus sie für diverse Medien berichtet. Übersetzt übrigens von ebenfalls einer Elina (Kritzokat), die diese Herausforderung bestens gemeistert hat – Finnisch rüber ins Deutsche. Inkl. Briefen und Tagebuch-Einträgen von Joona, die das Geschehen zusätzlich illustrieren. Vielleicht hat eine der Elinas auch mit der Vergangenheit der Finnen im Allgemeinen befasst, den Finno-Ugrierern, siehe S. 119: „Ich sah seine [Ians, d.V.] Zuneigung, sein Verständnis, seine Verlorenheit und Einsamkeit, und am liebsten hätte ich ihn in ein kleines Gefäß gepackt und in meine Bruttasche gesteckt. Er würde meinen Herzschlag hören, und nichts könnte ihm etwas anhaben.“ Eine schöne Metapher, gleich jener, die ich als Student (u.a.) der Finnougristik an der LMU München bei den Ostjaken gelesen habe, in einer Textsammlung dieser noch sehr „urigen“ Sprache, die kaum noch von jemand gesprochen wird, am Ob (nahe Chantijmansijsk), schön! In dieser Passage übrigens wird besonders deutlich, wie sehr Anna hin- und her gerissen ist zwischen Liebhaber und Bruder – wie wird sich entscheiden, muss sie sich denn überhaupt entscheiden?! Ein wenig erinnert die Geschichte ans portugiesische Fado – und finnische Melancholie mag vieles eben mit dieser zu tun haben … Finnland ist Gastland der Frankfurter Buchmesse 2014 – das zeigt Wirkung: Diverse Verlage bringen Übersetzungen finnischer Autoren, die bisher in deutscher Sprache fehlten. So auch Hirvonen, zur Freude vieler Leser. HPR