Erinnerungen an Willy Brandt
Autor | Egon Bahr |
Verlag | Propyläen |
ISBN | 978-3-549-07422-0 |
„Das musst du erzählen“ ist der Untertitel – und gemeint ist jener Ausspruch von Willy Brandt, gerichtet an den Weggefährten, gezielt auf von ihm selbst weg Gelassenes, in eigenen Publikationen: „Das musst du erzählen“ also – und das tut Egon Bahr hier. Wobei viele der Zitate und Geschichten bei mir an Erinnertes andockten – bewusst erlebt in den 1960-ern und 1970-ern, indirekt erinnert aus Gelesenem oder audiovisuell Dokumentiertem. Die besondere Atmosphäre dieser Biografie entsteht durch die persönliche Nähe dieser beiden politischen Personen, die es offenbar jahrzehntelang geschafft haben, genügend Distanz zu wahren – und so einander viel zu bedeuten: „Auf seinem Sterbebett von seinem Sohn Lars gefragt, wer seine Freunde gewesen seien, antwortete Willy Brandt: „Egon“.“ (u.a. Rücktitel) Zum 100. Geburtstag des großen deutschen (und sozialdemokratischen) Politikers ist das Buch erschienen, das zugleich auch Autobiografie Bahrs ist – und ein Geschichtsbuch der zweiten Hälfte des 20 Jahrhunderts. Mit Rückblick auf Brandts Zeit im norwegischen Asyl und Ausblick auf die aktuellen Geschehnisse in Ost und West: Hier deutet sich an, welch exzellenter Ost-Politiker Bahr war – und letztlich noch ist, auch heute noch gefragt in Talkshows, durchaus zurück haltend – und immer Profi aus Journalisten-Zeit. Geschrieben in klarer, dennoch andeutender Weise, wenn es um Persönliches der eigentlich öffentlichen Person Willy Brandt geht, siehe seine Frauengeschichten, siehe die Guillaume-Affäre. Diese Erinnerungen sind quasi um das Zitat nach Richard Weizsäcker herum geschrieben, könnte man meinen: „Willy Brandt und Egon Bahr, das war ein ziemlich einmaliges Zusammenwirken. Jeder kam erst mit Hilfe des anderen zur wirksamen Entfaltung seiner Gaben.“ Auch deshalb, weil der Journalist auf einen nächsten Karriere-Schnitt als Stellvertreter des großen Henri Nannen als Chefredakteur des Sterns verzichtet hatte, zu Gunsten des Pressesprechers Brandts in Berlin. Von da an war er stets an seiner Seite, ihn auch als Außenminister wie als Bundeskanzler begleitend. Und da ist der Autor ganz deutlich: Die Grundzüge der Ostpolitik hatte er geschrieben, schon Jahre vor der möglichen Umsetzung, in einem Papier für die Evangelische Akademie Tutzing. Wie vieles andere, was dann unter Brandts Namen veröffentlicht wurde. Wie Helmut Schmidt (der neben Herbert Wehner sowie wichtigen Politikern der anderen Parteien jener Zeiten natürlich ins Spiel kommt) ist der Autor heute mit über 90 Jahren noch geistig fit und begleitet Politik und Gesellschaft: Ihm verdankt Deutschland eine Menge. Jetzt auch dieses absolut lesenswerte biografische Werk! HPR