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Femina erecta

Autor Jan Kjaerstad
Verlag Septime
ISBN 978-3-902711-92-2

„oder Der Pfad der Geschlechter“ als Untertitel macht deutlich(er): Hier geht es um die gleichberechtigte?!) Rolle der Frau(en) in der Gesellschaft, der norwegischen nämlich. A bissal was hat der Roman auch vom spielerischen, Augen zwinkernden „hinfallen – aufstehen – Krönchen richten – weiter gehen“: Während viele der beteiligten Männer „auf die Schnauze fallen“, sei es wörtlich, sei es im übertragenen Sinne, obwohl sie erfolgreich sind, fallen die Frauen immer wieder auf die Füße – obwohl sie es deutlich weniger sind, erfolgreich, in der Anfangszeit des hier erzählten knappen ¾ Jahrhunderts jedenfalls… Eine Geschichte mit über 800 Seiten, die mit einer Person endet, mit der sie auch begonnen hat: Rita, wie wahre femina erecta, deren Buch sie immer schreiben will („Die Kunst, niemals zu sterben“, S. 774ff.). Obwohl die Geschichte vorüber gehend bis ins 3. Jahrtausend geht, das sie (als für sie 3. Jahrhundert) dann doch nicht mehr erleben wird, 1896 geboren. Geschichten über Ihren starken Einfluss vor allem auf die Frauen Ihrer eigenen Familie, Ihrer und nachfolgender Generationen.

Blick aus der Zukunft
… der allerdings nur die Rahmenhandlung bildet. Wobei die Forscherinnen der (chinesisch) geprägten Zukunft immer mal wieder kommentierend wahrzunehmen sind, mitten im Text: interessantes Konzept! Nun, darum geht es, teils chronologisch, teils in Rückblenden aus eigentlich späterer Zeit, je nach gerade betrachteter Person, zudem mal die recherchierten Ereignisse verlassend und Schriftliches wie Audio zitierend (Radio-Interviews von Maud etwa [S. 284 rundum z.B.] oder Ton-Aufzeichnungen): „Sechs Generationen haben im 20. Jahrhundert in der Villa Bohre gelebt, geliebt und gekämpft. Oslo 1940 – am Vorabend der Deutschen Invasion in Norwegen. Der Beginn einer Familiensaga, deren treibende Kräfte sechs Frauen sind. Im Mittelpunkt stehen Rita Bohre und ihr Lebenswerk Femina erecta. Es handelt von der aufgerichteten Frau. Von Frauen, die immer aufs Neue aufstehen müssen. Agnes tritt eine Pilgerreise an. Rita führt Gespräche mit Fridtjof Nansen in seinem Turm in der Villa Polhøgda. Maud segelt auf einem Floß den Kongo-Fluss stromabwärts. Bjørg schreibt Gedichte in der psychiatrischen Klinik Gaustad. Laila arbeitet als Kabinenmädchen auf der MS Bergensfjord. Ingri wird die jüngste Ministerin in der Regierung.“ Eine Vielfalt von Talenten also, je unterschiedlich ausgelebt…

Alles China oder was?
Tja, in diesem Roman jedenfalls – denn: „etwa 2000 Jahre sind vergangen, und wir befinden uns in der Chinesischen Föderation. Durch eine gewaltige Katastrophe vor 1000 Jahren wurden alle gespeicherten Daten und Informationen vernichtet, doch weil Mitglieder der Long-Dynastie in vielen zentralen Positionen sitzen und diese Norwegen als ihre ursprüngliche Heimat betrachten, wurde eine von drei Frauen geleitete Gruppe mit der Aufgabe betraut, von den norwegischen Ahnen der Long-Dynastie zu erzählen, d. h. über das Geschlecht der Bohre aus der Zeit vor der ersten Emigrationswelle nach China.“ Darunter und als treibende Kraft eben Norwegerinnen, die auch eine Form der Marktwirtschaft wohl mit übertragen haben! Literarisches, Kulturelles (finnische Künstlerin etwa S. 456f., S. 481f.), Medien spielen eine tragende Rolle (z.B. S. 117f., S. 155f. – oder der Wörtersammler Roar S. 401ff.), Norwegen und seine wirtschaftliche Entwicklung dito, kritisch gesehen (siehe etwa Öl, S. 527 etc., Gaming/Software S. 678f. z.B., AKP/ML S. 648f. etc.) – und ein 70-jähriger Krieg im 22. Jahrhundert, der allerdings nur immer mal erwähnt wird. Doch auch Rückblicke in weit frühere Zeiten nimmt der Text in den Blick, ist die Hauptperson Rita doch Paläontologin (S. 228ff. etc.). Interessant eine Passage (u.a. S. 724ff.) mit einer Welle von Erinnerungen einer Trauer-Gemeinschaft von Lehrerinnen zum Tod von Ritas Mutter Agnes – nämlich wie unterschiedlich diese ausfallen können…Dazu passend das finale Kapitel S. 774f., in dem Rita kurz vor ihrem Tod ihr Leben reflektiert, es quasi im Zeitraffer die Geschehnisse zusammen fassend, aus ihrem Blickwinkel naturgemäß – fast 100 Jahre auf fast 50 Seiten. Voila, was ein Leben – was ein Buch! Bestens gebunden übrigens, mit Fadenheftung (und somit die über 800 Seiten gut vertragend), plus Leseband. Und einer Cover-Abbildung mit drei Frauen, als Skizze treffend nordisch erscheinend – und zugleich asiatisch anklingend… HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter