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Fräulein Gold: Nacht über der Havel

Autor Anne Stern
Verlag Rowohlt Polaris
ISBN 978-3-499-01340-9

„Wenn die Nacht am dunkelsten ist…“ untertitelt der Band quasi via Headline auf der Rückseite – und baut Spannung auf, für die annähernd 450 Seiten, die zugleich vielerlei Einblicke ins historische Geschehen Anfang der 1930er in der Weimarer Republik bieten …

Berlin 1930
…bietet also den zeitlichen und geografischen Rahmen des Geschehens – und den gesellschaftlichen natürlich: „In der Stadt brodelt es gewaltig. Wirtschaftskrise und politische Instabilität rufen immer radikalere Kräfte auf den Plan. Auch Hulda spürt, dass die vermeintlich goldenen Jahre vorbei sind. Umso engagierter kümmert sie sich als Hebamme um die Belange der Frauen und Mütter. Als sie einer Schwangeren helfen will, stößt sie auf einen mysteriösen Todesfall im Dunstkreis der Familie: Die jüngere Schwester Jutta ist Teil einer Jugendgruppe, die sich nachts an der Havel trifft. Die Jugendlichen singen und feiern zusammen. Doch dann wird am Ufer ein Student tot aufgefunden. Er war der Anführer von Juttas Gruppe – und ihr heimlicher Schwarm. Aber war sein Tod wirklich ein Unfall bei einem nächtlichen Abenteuer? Bald ahnt Hulda, dass die Zusammenhänge größer sind als angenommen. Eine Jugend ohne Zukunft sucht in unruhigen Zeiten verzweifelt nach Halt. Und ist bereit, einen hohen Preis dafür zu zahlen …“ Naja, mehr oder weniger unbewusst naturgemäß, weil das Verstehen fürs große Ganze fehlt: Politik… Denn…

Frauen & Juden…
…Schwarze & Schwule sind es, die von den „Braunhemden“ mehr und mehr ins Visier genommen werden: Die NSDAP sorgt selbst für Aufwind, etwa durch radikales „Anwerben“ aus eigentlich schlicht naturverbundenen Vergnügen für die HJ unter falscher Flagge, so jedenfalls stellt sich´s hier dar… Natürlich bewegt auch die „Erwachsenen“ das Geschehen, je nach Betroffensein unterschiedlich fokussiert (etwa S. 33 , S. 79, S. 299, S. 410f.). Erinnerungen werden auch andernorts wach, z.B. im Krankensaal (S. 100ff.), auch der nur zu gut nachvollziehbar von der Autorin beschrieben plus das Personal und dessen Verhalten charakterisiert… Natürlich umso mehr, als Hulda Gold ja Hebamme, wenn auch derzeit „nur“ beratend tätig (S. 121f. usw.). Zum Ambiente gehören (neben dem Miterleben der Leserschaft zu den Lokationen) seinerzeit neue technische Entwicklungen (Staubsauger etc., S. 214f.). Im Nachwort (S. 421ff.) verdeutlicht die Autorin, wie die historischen Bezüge eingearbeitet sind. Und toll, wie auch mit dem siebten Band eine spannende Handlung rund um eine bestens eingeführten Person das historische Geschehen unterhaltsam begleitet: lesen! HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter