Grenzland Zwischenland

„Erkundungen“ sucht die Autorin und bietet „Berichte aus einer furchtlosen und stilsicheren Reisenden aus dem unbekannten Land des hohen Alters“, so der Umschlagtext. Leser findet Einblick in das Tagebuch der Autorin, über ein ¾ Jahr hindurch. Fast 90, ist die Journalistin und Autorin weiter motiviert, sich schreibend zu äußern – und sich manche Schwierigkeit hohen Alters von der Seele zu schreiben, Vergesslichkeiten inklusive. „Unnachahmlich ist die innere Heiterkeit dieser Aufzeichnungen, eine Gelassenheit und eine ruhige, wache Neugier, die auch alle anderen Texte von Ilse Helbich charakterisieren und an buddhistische Weltsicht denken lassen.“ Und aus manchen der Tagesnotizen, einfach hingeschrieben, entwickeln sich essayistische Anmerkungen oder sie streut Texte „aus alter Zeit“ ein, etwa am 13.4.2011 einen, den sie „vor mehr als 30 Jahren, vielleicht auch vor 40 Jahren geschrieben“ hat. Er ist ihr eingefallen, so wie das manchen Menschen geschieht, gerade älteren – und sie muss das Manuskript erst lange suchen: „Vom Anderen“ titelt der Text (S. 89ff.). Und passt sicherlich zur Befindlichkeit eines älteren, gar alten Menschen: „Endlich bin ich angekommen in dem mir zugewachsenen Leben. Fragenlos. Ohne Sehnsucht. Was habe ich so lange gesucht? Manchmal denke ich meinem früheren Leben nach, um darin die Spur des Ersehnten wiederzufinden.“ Dabei wechselt sie zwischen erster und dritter Person durchaus hin und her. Sie, die in der Einleitung (oder dem vorgeschobenen Text) beginnt wie folgt: „Mit einem Schlag bin ich sehr alt geworden, in einer Verfassung, die meinen Lebensjahren – ich war 87 – entspricht. Dieser Zustand ist faszinierend .. Ich kann plötzlich nur mit großer Mühseligkeit gehen .. Die Augenschwäche verhindert schon lange, Entgegenkommende … zu erkennen. …“ (S. 5) Und das Buch schließt mit der Tagesnotiz vom 16.10.2011: „Ich lebe wie unter Wasser, in einer nach allen Seiten abgeschlossenen Welt, in der das Zugreifen sein Ziel oft verfehlt … Wo bin ich hingeraten? Ich kenne mich nicht mehr aus …“ Fast interkulturell, dieses „Grenzland – Zwischenland“! Weiter bildend? Ja, gerade für Jüngere … – HPR

Hanspeter Reiter