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Handbuch Führungskompetenzen trainieren

Autor Reineck, Uwe, Ulrich Sambeth, Andreas Winkelhofer
Verlag BELTZ Verlagsgruppe
Seiten 365 Seiten
ISBN 978-3-407-36461-6
Preis 49,95

Das Autorenteam schreibt für „Trainer und Berater…, die manchmal recht kurzfristig in Situationen kommen …., in denen sie zu Führungsthemen Workshop- oder Trainingssequenzen anbieten müssen und schnell gute Ideen für Inputs und Übungen brauchen“ (8). Nun, hoffen wir, dass diese Adressaten über mehr Wissen verfügen, als in dem Buch vermittelt wird, um kompetent im Sinn der Kunden agieren zu können. Die Stärke des Handbuchs liegt weniger in den vermittelten Inhalten oder den kurzen „Essays“ als in der Vielzahl von Übungen.

Jedem Kapitel ist ein „Essay“ vorangestellt. Diese „Essays“ möchten die Autoren vom Leser beurteilt wissen als „informierend-irritierend“ (324). Nun, nach meinem Verständnis handelt es sich keinesfalls um Essays, und ob der Anspruch erfüllt wird, sei jedem Leser überlassen. Sie sind zum Teil recht „flott“ formuliert, amüsant im Ton. Sie sollen „eine Einführung in das Thema“ geben und einen „Denkanstoß“ bieten – dem wenig Kundigen eher als dem Kundigen. (Eine „lexikalische Vollständigkeit“(8) wird explizit ausgeschlossen – aber wer erwartet schon eine Vollständigkeit im Wortschatz?)

Das Buch ist locker und flüssig geschrieben – zuweilen erleidet allerdings die Gedankenführung diese Qualität ebenfalls. Ein Beispiel: Zu Beginn des Buches stößt auf, mit welcher Begründung sich die Autoren den „Eigenschaftsansatz“ aussuchen, um das Buch zu strukturieren. Sie betonen diese Wahl, obgleich sie einige Sätze weiter hervorheben, dass die Ausführungen diesem Ansatz nicht verpflichtet wären. Die Wahl für diesen individualistischen Ansatz könnte darin begründet sein, dass dieses Raster als Folie für eine Buchgliederung einfach und leicht zu übersetzen und für den Leser intuitiv einleuchtend sein könnte. Wenn allerdings Berater diese Reduktion eines komplexen Phänomens mit dem Verweis auf eine – unfundiert bleibende – Nützlichkeit begründen, dann hinterlässt das zumindest hoch gezogene Augenbrauen. Ebenso, wenn sie das Faktum als Begründung anführen, dass auch „falsche Annahmen“ „oft Richtiges“ erzeugen. Oder mit dem Hinweis unterlegen: „…in den meisten Unternehmen hält sich ebenfalls die Überzeugung, Profile oder Kompetenzen von Führungskräften seien verantwortlich für den Führungserfolg“ (7). Selbst, wenn man anknüpft an eine Realität, die in bestimmten Milieus gilt – dann kann man die Anknüpfung erkenntnistheoretisch, lerntheoretisch und sogar sekundiert durch neurowissenschaftliche Belege begründen, in Frage stellen und alternative Entwürfe bieten. Fallen nicht gerade Trainer und Berater dadurch auf, penetrant zu postulieren, „Neues zu wagen“? Und da sich die Autoren des Handbuch selbst als äußerst kreativ und innovativ sehen – was hinderte sie daran, diese Fertigkeiten in diesem Kontext zu nutzen?

An der intellektuellen Zuverlässigkeit in den Aussagen zweifeln lassen zwei weitere Formulierungen gleich zu Beginn. Die eine: „Führung ist komplex und zu wenig erforscht und verstanden. Es gibt mehr Bücher über Führung als Wissen darüber.“ (7) Nun, erlaubt seien beispielsweise die Fragen: Was meint „zu wenig erforscht“ mit Akzent auf „zu“? Relationiert zu was? In welchem Bezug steht diese Aussage zu dem nachfolgenden Satz? Woher wissen die Autoren etwas, von dem sie sagen, dass es niemand wissen könne? Welche Indizien führen sie an, um die These zu konsolidieren, Führung sei „zu wenig … verstanden“? Von wem? – Und, bitte, angenommen, das alles träfe zu: Wodurch weisen sich die Autoren aus, über komplexe, zu wenig erforschte und zu wenig verstandene Führung – ja: ein Buch zu schreiben, von denen es doch ohnehin schon viele gibt? – Lockeres Schreiben plus präzise Gedankenführung – das eine sich in dem anderen ausdrückend – ein häufig verfehltes Anliegen. Dieser Eindruck wird auch nicht aufgefangen durch das Nennen des Namens Ludwig Wittgenstein – mit Verlaub, noch so ein Spruch-, in diesem Fall: name-dropping. Mir ist unklar, warum sich die Autoren dieses Eindrucksmanagement genehmigen.

Vernachlässigenswerte Details? Mag sein. Wäre dem so, leuchtete zumindest in sachlicher Hinsicht nicht ein, weshalb die Autoren diese Aspekte selbst pointieren.

Dennoch: Zwischen Einleitung und Schluss liegen Gründe dafür, das Buch in die eigene Bibliothek zu stellen. Einen Platz dort zu finden, sei vor allem Trainern empfohlen, die Übungsanregungen oder Übungsentwürfe im raschen Zugriff oder schlicht zur Anregung benötigen. Die Struktur des Buches gewährt eine einfache Orientierung, da sie dem kategorialen Raster der gängigen Kompetenzen folgt: Mitarbeiterführung, Unternehmen, Beziehung, Veränderung, Persönlichkeit. Neben dem Zugriff auf Übungsentwürfe empfiehlt sich das Buch auch für jene Trainer, die über fundiertes und breites Wissen verfügen und in definierten Themenkomplexen an das eine oder andere erinnert werden möchten.

Der Persönlichkeit gilt der ausgiebige Exkurs zu „Pedaktik“, einem Begriff mit geschütztem Warenzeichen. Der Exkurs wird eingeleitet als „Entschleunigung“, ein weiteres Schlagwort, dessen Funktion im Kontext nicht evident ist. Spätestens, nachdem der Leser über Pedaktik als „Didaktik der Persönlichkeitsbildung“ (325) gelesen hat, mag die These Erstaunen hervorrufen: „Mit dem Ansatz der Pedaktik – der ersten Didaktik der Persönlichkeitsbildung – existiert eine konzeptionelle Antwort auf die häufig geäußerte Feststellung, dass nicht allein das Fachwissen zähle, sondern auch die menschliche Kompetenz.“ (324) Die Verwunderung bezieht sich weniger auf die inzwischen triviale Erkenntnis des Stellenwerts nicht-fachlicher Fähigkeiten und auch weniger auf den geschäftstüchtigen Aspekt, das Konzept mit einem geschützten Warenzeichen zu versehen, sondern auf die These, es handle sich um eine „erste Didaktik“. Das Neue mögen Begriff und Schutz sein, keinesfalls aber Anliegen und Inhalte bzw. „Elemente“. Jene Trainer und Berater, die sich bis dato wenig um einige grundlegende Gesichtspunkte in der Persönlichkeit zentrierenden beratenden Praxis gekümmert haben, erhalten in dem Exkurs in jedem Fall einen Rund- und Einblick in relevante Fragerichtungen.

Dr. Regina Mahlmann

Dr. Regina Mahlmann