Handbuch Sprache in der Bildung
Autor | Kilian, Jörg, Birgit Brouer, Dina Lüttenberg (Hrsg.): |
Verlag | deGruyter |
ISBN | 978-3-110-29588-7 |
Das Handbuch, Teil der Reihe „Handbücher Sprachwissen“ des Forschungsnetzwerks „Sprache und Wissen“ (2005 gegründet), ist in drei Teile gegliedert, die wiederum wissenschaftliche Aufsätze unter dem thematischen Dach vereinen. Die Hauptklammer des transziplinären Horizonts sind konstruktivistische Überzeugungen. Was der Leser nicht findet, sind Bezüge zum konstruktionistischen Ansatz von Gergen/Gergen und der Rolle von Sprache, besonders der schriftlichen, und der Nutzung digitaler Medien für Wissenskonstitution. Doch das ist ein Desiderat und soll keinesfalls den Gewinn schmälern, der den interessierten Leser erwartet.
Teil 1 widmet sich mit äußerst spannend zu lesenden Beiträgen der Frage nach der Rolle der Sprache beim Aufbau von Wissen. Natürliche und Formelsprachen, Alltagssprachen und Bildungssprache, Bedingungen der Möglichkeit, sprach- bzw. bildungssprachlich erzogen und gebildet zu werden, linguistische und soziolinguistische, philosophisch-pädagogische und pragmatische Modelle von Erziehung und Bildung und deren Rolle markieren den Horizont, der theoretisch und hochinteressant auch für den ambitionierten Laien gezeichnet wird.
Teil 2 lädt zu einem Rückblick in die historische Dimension von Erziehung und Bildung ein. Der Faden wird ausgelegt in der Antike bis heute und hebt jene gesellschaftlichen Geschehnisse und gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen hervor, die der Debatte und Praxis von Erziehung (Familie, Schule) und Bildung (humanistisch, zweckrational-pragmatisch; aristokratisch, bürgerlich, kaufmanns-bezogen) sowie der pädagogischen Idee maßgeblich Impulse gegeben haben wie insbesondere die Reformation, die Wellen von Reformpädagogik und Kritischer Erziehungswissenschaft. spezielle, der pädagogischen Grundidee implizite Einfallstore für ideologische und politische Interessen werden beschrieben und diskutiert. Mehr oder weniger fragen die Beiträge nach der semantischen bzw. ideologischen Sinngebung von Erziehung (und der pädagogischen Beziehung) und Bildung, fragen nach der Rolle von Sprache für und in Erziehungs- und Bildungsprozessen und deren Konkretisierung in Unterrichtssituationen.
Teil 3 präsentiert Beiträge zu den „Grundlagen der sprachlichen Wissenskonstitution in der Praxis“. Theoretische, weil linguistisch und stark fachlich-transdisziplinär ausgerichtete und Fachwissen voraussetzende Beiträge stehen hier neben jenen, die sich etwa ein Fach oder Schulformen oder Unterrichtssituationen zuwenden.
Dieses äußerst empfehlenswerte Handbuch sei all jenen Lehrenden in Kindergärten, Schulen, Universitäten und Weiterbildung empfohlen, die Sprache nicht allein als Mittel oder Werkzeug der Verständigung begreifen und nutzen, sondern den Erwerb von und das Verfügungen über Wissen, dem Umgang damit didaktisch einspeisen möchten. Nicht zuletzt entscheidet der Erwerb der Bildungssprache über Lebensläufe, über die Bedingung der Möglichkeit für Teilhabe an Bildungsinhalten und Bildungsmilieus. Für die Selbstreflexion als Erzieher/ Bildner und seiner Rolle dabei findet der Leser eine Fülle an Hinweisen und Anregungen.