Index, eine Geschichte des
Autor | Dennis Duncan |
Verlag | Antje Kunstmann Verlag |
ISBN | 978-3-956-14513-1 |
Sach- und Personenregister gehören zur Grundausstattung jedes Fach- und häufig auch Sachbuchs. Das ist heute nicht mehr erwähnenswert. Oder doch? In literarischen Gattungen wie Roman, Biographie, Lyrik, Fiction konnte sich zwar trotz einiger Versuche das Register nicht durchsetzen. Und wer ahnt schon, dass selbst die Bibel zu Beginn der Systematisierungsanstrengungen verregistert worden war? Wegzudenken ist der Index heutzutage jedenfalls nicht mehr – auch nicht im Internet. Gerade dort wird es benötigt.
Die wechselhafte und phantasievolle Geschichte, samt verschiedenster Entwicklungsrichtungen und Ausformungen des Indexes, verbunden mit der Erfindung von Seitenzahlen, Kapiteln, Kapitelüberschriften (nichts davon von Beginn an selbstverständlich), schildert Dennis Duncan unterhaltsam und gelehrsam zugleich, anhand historisch zentraler Akteure und deren Versuche, ein Register zu Langtexten so zu verfassen, dass sowohl viel beschäftigte Könige als auch nicht gelehrte Leute dazu animiert werden, einen ausführlichen Text bzw. ein Buch zu lesen.
Die Knappheit heutiger Register mit Begriff und Seitenverweis, war zu Beginn der Bemühungen keinesfalls denkbar. Vielmehr wurden Absätze, Sätze, Begriffe und Wendungen interpretiert, kommentiert, bewertet – und im Verlauf der Jahrhunderte gar politisch genutzt, was beispielsweise in England rhetorisch-amüsante wie politisch relevante Facetten generierte. Höchst lesenswert.
Indexe, Register und die Verweise auf Seitenzahlen sind hochpolitisch, meinungsgebunden, deutungs- und interessenabhängig. Diese Erkenntnis ist keineswegs trivial, sondern gerade in einem Zeitalter hochparteilicher Bekundungen in Politik und Gesellschaft wertvoll, und sei es „nur“ als verändertes persönliches Vorzeichen, mit dem Lektüre verbunden ist.
Zu Beginn des 13. Jahrhunderts in Klöstern und Universitäten erfunden, ständig weiterentwickelt von Personen verschiedenster Provenienz und Lebensumstände, schlägt der Autor den Bogen bis in die digitalisierte Gegenwart und belegt eindrücklich, dass und inwiefern Texte, Textsuche und Textfindung an der Logik des Registers oder Indexes hängt. Index ist unverzichtbar für gezielte Suche, für selektives Textverständnis, für Recherche und Synthese.
Noch in der frühen Neuzeit stritt man darüber, ob das Register zu Beginn oder zum Ende eines Buches präsentiert werden sollte; denn die Befürchtung ging um, dass Leser nur noch über Registerwissen verfügen – unter Verzicht der Lektüre des Werkes. Das hing selbstredend mit der Ausführlichkeit der Einträge zusammen, die zuweilen heutigen Kurzzusammenfassungen, oft verbunden mit Deutungsangeboten, ähnelten. Dieses Risiko ist heutzutage zumindest verringert. Inwiefern allerdings die Interessengebundenheit jener, die Register anfertigen, in Auswahl und Verweisorten verlorengegangen ist, ist unklar, auch dann, wenn diese Arbeit von Algorithmen getan wird, von deren Parteilichkeit man inzwischen weiß, da sie von Menschen konstruiert werden, so dass auch selbstlernende und sich selbst reproduzierende Algorithmen davor nicht gefeit sind und systematisch eine Richtung verstärken.
Das Buch, das sich zwischen Wissenschafts- und Sachbuch bewegt, ist so vergnüglich zu lesen wie spannend und erkenntnisreich – eine Freude, die nicht zuletzt der Auswahl der Beispiele, Funde, der lebhaften Beschreibung konkreter Arbeit an und für und über Register sowie über Konflikten, Streitereien, Ambitionen rund um die Erstellung eines Indexes zu verdanken ist – und der Begeisterung des Autors für das Metier.