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Irren ist nützlich!

Autor Henning Beck
Verlag Hanser
ISBN 978-3-446-25499-2

„Warum die Schwächen des Gehirns unsere Stärken sind“ hat mich natürlich (auch) wegen meines „eigenen“ Buchs zu Neurowissenschaften interessiert (als Herausgeber: „Hirnforschung und Weiterbildung“ bei Beltz). Und tatsächlich bietet der Autor, was das menschliche Lese-Gehirn braucht, um aufmerksam und konzentriert zu bleiben: Interessanten Stoff mit Neuheiten-Charakter, unterhaltsam dargestellt, gut verständlich und „leicht“ lesbar formuliert …

Reales Denken versus Künstliche Intelligenz?
Nun, das sind tatsächlich zwei Paar Stiefel: Deeplearning von Computern (u.a. mithilfe von Algorithmen) mag zwar schneller verarbeiten können als unsereins, dennoch: Wir lernen schneller! „Die Anforderungen an unser Gehirn sind höher als je zuvor. Wir werden von Informationen bombardiert, mailen, chatten und surfen gleichzeitig. Und es scheint, als sei unser Gehirn nicht für das digitale Zeitalter gemacht. Es ist permanent abgelenkt, ungenau und vergesslich. Für genau diese Schwächen jedoch sollten wir ihm dankbar sein! Denn die Hirnforschung zeigt: Erst durch die Irrtümer des Gehirns sind wir kreativ – etwas, was Künstliche Intelligenz noch in 100 Jahren nicht erreichen wird. Dieser Ratgeber ist ein neurobiologischer Mutmacher, der auf ungewöhnlichem Weg zu besserer Konzentration, größerer Entscheidungsstärke und mehr Kreativität verhilft.“ Denke an die wichtigste Überlebens-Funktion menschlichen Gehirns: Filtern und Relevantes aufbereiten …

Weiter führende Hinweise
Hierzu ein paar meiner Eselsohren, die mir helfen sollen, mich im Buch immer wieder zurecht zu finden: Mensch lernt schlicht anders (S. 46ff.): „Wir verstehen Kategorien nämlich extrem schnell und die Beziehungen zwischen Wörtern, Gegenständen und Aktionen sogar sofort .. Wie lange hat es gedauert, bis Sie ein völlig neues Kunstwort wie „Selfie“ begriffen hatten?“ Zeit erleben spielt auch beim Lernen eine wichtige Rolle – und lernen tun wir doch laufend?! „Weil Zeit erst nachträglich unseren Erlebnissen zugeordnet wird, verändert sich die Zeitwahrnehmung im Laufe des Lebens. Früher waren so viele Ereignisse völlig neu .. Wenn die gleichen Dinge dann häufiger passieren, sind sie nicht mehr neu und werden im Gedächtnis ausgespart, wodurch die Erlebnisdichte sinkt … Im Alter…: in der Rückschau entsteht die Illusion, dass die Ereignisse immer dichter aufeinander folgen …“ (S. 101) Und wie ist das informellem Austausch, auch das: Lernen? „Es war genau die vermeintlich ablenkende Kaffeepause, die man gemeinsam verbrachte. Je mehr man mit seinen Kollegen in der Pause quatschte, desto schneller arbeitete man anschließend die Telefonanrufe ab.“ (Beispiel: CallCenter, hier: S. 139)

Konkrete Tipps fürs Optimieren …
„Der Qual der Wahl entgehen“ (S. 197ff.) – wie schaffen wir das? Etwa mit „Trick Nummer vier: Bekämpfen Sie die Vielfalt.“ Und Motivation schaffen Sie wie? Z.B. via Dopamin-Ausstoß – doch Vorsicht achten (S. 229): „Nun reicht es … nicht, einfach nur den Nucleus accumbens mit Dopamin anzuwerfen, um uns zu belohnen und damit nachhaltig zu motivieren. Es kommt eben auch auf das Überraschungsmoment und damit die Erwartungshaltung an. Dies wird über das Mittelhirn gesteuert …“. Aufmerksamkeit versus Konzentration? „Merke: Konzentration ist gut, wenn man aus einer Vielzahl von Ideen eine auswählen und verfeinern soll. Doch wenn es erstmal darum geht, viele Ideen zu sammeln, tappen wir zu leicht in die Konzentrationsfalle.“ (S. 264 – oha!) Gürtelrinde – schon mal gehört? Sie moderiert unser Denken und Handeln, quasi (so der Autor) die Maybrit Illner des menschlichen Gehirns (S. 282f.). Gute Lektüre wünscht HPR

Hanspeter Reiter