Skip to main content

Kanada

Autor Richard Ford
Verlag Hanser Berlin
ISBN 978-3-446-24026-1

Vielleicht ein moderner Bildungsroman? Die Geschichte eines jungen Mannes, seiner Familie – und zugleich der Ambiguität zweier eng benachbarter Staaten, nämlich USA und – Kanada, die ja zusammen den nordamerikanischen Kontinent bilden. Die Familie wird auseinander gerissen, als der Vater nach illegalem Handel mit Rinderhälften schließlich nach einem Banküberfall geschnappt wird. Bruder und Schwester sind zunächst über Jahrzehnte getrennt, bevor sie wieder zueinander finden, jedenfalls kurzzeitig. Das Leben des Bruders ist es, dem wir folgen, parallel die Vorgeschichte ergründend, mithilfe von eingestreuten Rückblick-Kapiteln. Früh wird klar, dass die Mutter sich umgebracht hat und der Vater im Gefängnis sitzt. Rechtzeitig nach Kanada „ausgewandert“, kann Dell sich sein Leben entwickeln – doch bis zur Bürgerlichkeit ist es ein harter, steiniger Weg für ihn: Zentral im Mittelpunkt der Geschichte stehen seine Jahre als Gehilfe bei einem zwielichtigen Hotelbesitzer, der ebenfalls illegale Geschäfte betreibt. Doch anders als Dell´s Vater schafft er zielstrebig Reichtum daraus. Wie Autor-Kollege Jonathan Franzen verschafft auch Richard Ford dem Leser tiefe Einblicke in die US-Gesellschaft und ihrem Umgehen mit Minderheiten und Randständigen der Gesellschaft – und wiederum deren Umgang untereinander, siehe: Indianer. Angesprochen sind auch die Unterschiede beim Nachbarn Kanada, das so ganz anders mit seinen Ureinwohnern umzugehen scheint. Und es sind wieder die US-Amerikaner, die als „Zugewanderte“ dort ihr Umgehen mit Schwächeren übertragen. All dies aus dem Erleben eines Heranwachsenden und zugleich einer Art Rückblick des älter (alt?) Gewordenen. Über weite Passagen eine Ich-Erzählung, die Rückblicke wiederum aus der Meta-Position des Erzählers. So nimmt auch Leser unterschiedliche Positionen ein und gewinnt jeweils eine andere Perspektive …

Hanspeter Reiter