Konzern und Moderne
Autor | Daniel Damler |
Verlag | Vittorio Klostermann |
ISBN | 978-3-465-04286-0 |
„Die verbundene juristische Person in der visuellen Kultur 1880-1980“ stellt die Entwicklung der Rechtsformen innerhalb der genannten 100 Jahre dar – im Sinne des Wortes: Fokus „visuell“. Und natürlich zugleich den Einfluss, den eben dieses Sichtbarmachen aufs Juristische hatte. Ein interessantes Thema auch für all jene GABAListen, die primär dem „AB“ im Langnamen verbunden sind, angewandter Betriebswirtschaft.
Worum geht´s?
Natürlich um Haftung und Einfluss der jeweiligen Rechtsformen, die sich erst heraus zu schälen begannen, im Zuge des rasanten Wachstums mancher Unternehmen – hin zu Konzernen. „Seit dem späten 19. Jahrhundert ist zu beobachten, wie in Europa und Nordamerika eine diffuse Angst um sich griff, die Angst vor einer namenlosen, in der Deckung operierenden Supermacht, die das staatliche Gewaltmonopol unterläuft: die verbundene juristische Person. Da ein institutioneller Wandel – anders als ein technologischer – sich der unmittelbaren Anschauung entzieht, müssen dessen Merkmale visualisiert, sinnlich erschlossen werden. Anhand der gebräuchlichsten Sinn stiftenden „Konzernbilder“ lässt sich ein Psychogramm der (Hoch-) Moderne erstellen, das die Ängste, Ambitionen und Visionen der Epoche dokumentiert und den Blick öffnet für verdeckte Denkmuster und Leitbilder in der Gesetzgebung, Rechtsprechung und Wissenschaft des 20. Jahrhunderts.“
Konkrete Beispiele
Schön, wie der Autor die nahe liegende Verbindung von Wort und Bild aufgreift, nämlich Metaphorisches: „Neben dem team, einem Phänomen aus der Welt des Sports, das erst in en 40er Jahren aufgegriffen wurde, war die family die Metapher, die im 20. Jahrhundert amerikanische Unternehmen am häufigsten verwendeten, um innere Struktur abzubilden und einen emotionale Beziehung zu ihnen aufzubauen … Eine Möglichkeit, den internen Zusammenhalt zu stärken, war die Ausgabe von Anbestellten- und Betriebszeitungen …“ (S.104) offenbar ab ca. 1920 – frühe „HR“ also oder vormodernes Corporate Publishing … Ausführlich geht Damler auf die „Grundtypenmischung“ ein, mit mitte des 20. Jahrhunderts offenbar eine entwickelnde Rolle spielte, für Kapital- und/oder Personengesellschaften. Eine große Rolle spielten Kartographie und Geographie, gerade bei sozialistischen Schriftstellern (S. 172ff.) – und in dem Zusammenhang dann das Entwickeln von Netzplänen, mithilfe derer Konzernstrukturen dargestellt wurden (siehe u.a. 246ff.) – und dann auch Metro-Liniensysteme: Dem verdanken wir heute unsere übersichtlichen Pläne im ÖNV … Bei all Visuellem, zwängt sich doch das Wording immer wieder dazwischen, siehe Lebensgefühl oder Wohnen (S. 262ff.). Doch primär geht´s um Bildliche – interessant etwa (S. 316ff.) die Komposit-Technik: Körper aus vielen kleinen Körpern zusammen gesetzt, oder auch das Umfeld eines Gesichts (Leviathan-Darstellungen, dann auch Mussolini oder Hitler).
Cartoon und Comic: absolut visuell!
Das erste Kapitel beinhaltet einen „Comic-Teil“: „Der Octopus“ IV. bringt „When Law goes Pop“: Die Geburts des Konzerns aus dem Geist des Cartoons.“ Darin schreibt der Autor u.a.: „Politische Cartoons und Comic strips gewannen als Instrument der journalistischen Aufklärung in den Vereinigten Staaten seit den 1870er Jahren signifikant an Bedeutung … mit dem Erscheinen von Satiremagazinen wie „The Puck“ … Sie erreichten bereits eine beträchtliche Auflage …“ (S. 55) Und anhand einer konkreten Kampagne gegen Korruption und Machtanhäufung von Politik und Wirtschaft: „Die Affäre „Tweed“ hatte das Potential von Zeitung und Zeitschriften vor Augen geführt, die systematisch Cartoons und andere Illustrationen zur Vermittlung ihrer Botschaften verwendeten … Den überwältigenden Erfolg verdankt Pulitzer … dem raffinierten Umgang mit Bildern. Um … alle Menschen in dem neuen Sprachenbabylon New York zu erreichen, war es unumgänglich, die Zeitungen mit Illustrationen zu füllen.“ (S. 57) Ein Aspekt, auf den die Schirn in ihrer Ausstellung „Pioniere des Comic“ 2016 expressis verbis hingewiesen hat – und der den frühen US-Comics in den Sonntagsblättern den starken Erfolg mit verdankt hat.
„Bezeichnenderweise verdankt der „neue Journalismus“, den Pulitzer und Hearst praktizierten, seinen Namen vermutlich einem Comic strip: „The yellow kid“ … Die anderen Zeitungen nannten die von den beiden Kontrahenten gepflegte Art der Berichterstattung yellow kid journalism, kurz: yellow journalism.“ (S. 59f.) – später wurde daraus dann „yellow press“. Es entstand eine Fülle von Darstellungen, die bald ähnlich krakenartig sprießten wie die Trusts, die eben so gezeigt wurden („V. Schlangen, Kraken, Spinnen“ S. 63ff.): „In Serien wie „Willie and His Papa“, „An Alphabet of Joyous Trusts“, „Alice in Plunderland“ und „The M´Kinley Minstrels“ malträtierten die Trusts den kleinen Mann auf der Straße nach allen Regeln der Kunst.“ (S. 62)
[Dieser Teil wird auch auf www.comicoskop.de publiziert.]
Besonders eindrücklich naturgemäß auch durch die 86 Abb.en. Übrigens Leseprobe verfügbar, siehe http://download.klostermann.de/leseprobe/9783465042860_leseprobe.pdf HPR