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Kukum

Autor Michel Jean
Verlag Wieser
ISBN 978-3-99029-470-3

„Oma“ oder „Großmutter“ lautet der Titel aus dem Innu übersetzt: Es ist die Geschichte der Urgroßmutter des Autors – ihre Geschichten, die er gesammelt und nun wieder erzählt hat, auf gut 200 Seiten, mit einigen dokumentierenden Proträt-und Landschafts-Aufnahmen.

Ein Jahrhundert kanadischer Innu-Tradition
…und wie sie von einer „Exil-Irin“ gewonnen – und wie sie insgesamt verloren wird… „Michel Jean erzählt in Kukum die Geschichte seiner Urgroßmutter Almanda Siméon, die 97 wurde. Als Waise von ihrer Tante und ihrem Onkel aufgezogen, lernt sie mit fünfzehn den jungen Innu Thomas Siméon kennen, verliebt sich trotz der kulturellen Unterschiede sofort in ihn, sie heiraten, und Almanda lebt von da an mit dem Nomadenstamm, dem er angehört, lernt seine Sprache, übernimmt die Riten und Gebräuche der Innu von Pekuakami und überwindet so die Barrieren, die den indigenen Frauen aufgezwungen werden. Anhand des Schicksals dieser starken, freiheitsliebenden Frau beschreibt Michel Jean auch das Ende der traditionellen Lebensweise der Nomadenvölker im Nordosten Amerikas, deren Umwelt zerstört wurde und die zur Sesshaftigkeit gezwungen und in Reservate gesperrt wurden, ohne Zukunftsperspektive, ein Leben geprägt von Gewalt, Alkohol und Drogenkonsum.“ Leser kann die besondere Naturnähe, das Leben mit Fauna und Flora, den Glauben an das besondere Sein der Natur, fein nachvollziehen – und wird mit hinein gerissen in die brutale Entwurzelung, die in Kanada offenbar deutlich später als in den USA gegenüber den dortigen Indianern erfolgt war…

Eine Familien-Geschichte
…hat der Autor aufgeschrieben, selbst Journalist und aus der verlorenen Innu-Generation: „Der Roman wurde im Herbst 2020 mit dem Prix littéraire France-Québec ausgezeichnet. „Ich spüre in mir die Verantwortung, unsere Geschichten zu erzählen, die der Innu und der Mitglieder der Ersten Völker. Denn sie kommen praktisch nirgends vor. In den Geschichtsbüchern nehmen sie nur wenig Raum ein. In Nordamerika beginnt die Geschichte mit der Ankunft von Christoph Kolumbus 1492, diejenige Kanadas mit Jacques Cartier 1534. Aber wir leben hier seit 15 000 Jahren. Wenn wir unsere Geschichten nicht erzählen, wer dann?“ Erinnerte mich auch an Passagen in Gamache-Krimis von Louise Penney, in denen sie auf die schrecklichen Geschehnisse im Umgehen mit den „Ersten Völkern“ auch in Kanada eingeht, siehe die Zwangs-Internierung von Kindern: Ich meine, sie hat die Reise von Almanda Siméon (auch der französische Name übrigens aufgezwungen!) zum Premier von Quebec in eine für Ihre Handlung relevante Szene übersetzt… – Eine wirklich nahe gehende Sammlung der Geschichten, deren Übersetzung ins Deutsche wohl der Gastrolle Kanadas bei der Frankfurter Buchmesse (mit) zu verdanken. Bezaubernd einerseits, nachdenklich machend andererseits. Fein gestaltetes Hardcover mit Schutzumschlag und Leseband. HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter