Lebe wild und gefährlich, Arthur
Autor | Ralf Plenz |
Verlag | Input |
ISBN | 978-3-941905-32-0 |
„Großstadt-Oasen – Roman-Triologie, Teil 2“, nach „Das kleine Märchenbuch – wie ein Buch Leben verändert“ – und vor dem dritten Teil, für 2020 angekündigt.
1984 – mal anders. Eben 2018 geschrieben statt 1948 … Dynamisch, das Leben in dieser Großstadt-Oase, verteilt über fünf WGs, weil eine Person noch @home wohnt (was man wohl damals anders ausgedrückt haben dürfte): „Sechs Chronisten erleben die Revolution des Druckgewerbes im Hamburg der Achtzigerjahre, sie wirken an der Erfindung der Datenmaschine mit [S. 119ff. mehr dazu: DTP kam auf]. Sie begleiten die Musik- und Kunstszene, erleben die Punks vom Spritzenplatz und glauben an ewiges Leben durch besondere Ernährung und Yoga. Sie sind Teil des quirligen Hamburger Stadtteils mit der besonderen linksalternativen Szene: Altona-Ottensen.“ Dynamisch also schon damals „die Branche“, alldieweil Autoren, Verleger und Drucker sich in diesem „Team“ tummeln (s.S. 119): „Fünf Wohngemeinschaften sind die Lebenswelt der Protagonisten, die sich durch einen äußerst wertvollen Geheimbund miteinander verbunden fühlen.“ Und u.a. Sprüche auf Postkarten produzieren, à la „Sind Comics Kommerz oder Anarchie?“ Das ein Dutzend Jahre nachdem ich mich das ähnlich gefragt hatte, zusammen mit meinem „AK Comics“, aus der Evangelischen Jugend München heraus gegründet (als Kathole!!), einer Umfrage an meinem alten Gymnasium im Jahr nach geschafftem Abitur … Spät-68-er also?
Verlegen – (um) was? Ums Drucken und Verlegen geht es durchaus im Kern, verwoben in vielerlei Geschichten und Geschehnisse. Deshalb mag dieser Roman gerade für Verlagsleute interessant sein, da er als Faction daher kommt: Erinnerte Tatsachen der 1980-er Jahre in Storys und Unterhaltungen wieder gegeben und interpretiert. Ralf Plenz, Jahrgang 1955, bekannt als Unternehmensberater und Herausgeber zahlreicher Fachbücher, präsentiert hier seinen zweiten Roman, farbig illustriert von Hans Bouman. Karten und Kalligraphie vom Autor. Apropos, da könnte der Autor ja sein Abbild in der Person des Victor gespiegelt haben … Ganz und gar nicht gespiegelt dagegen der „Reigen“ von Arthur Schnitzler, der als der Adressat wie auch Absender der Titel-Affirmation identifiziert wird: „Du fragst mich, was soll ich tun? Und ich sage: Lebe wild und gefährlich, Arthur!“ – nämlich in einem Brief an den anderen Arthur, Rimbaud nämlich. Der verspielte Tanz ums Literarische wie auch ums Bildliche zeichnet diesen Branchen-Roman aus. Geht es doch wiederkehrend um die Entwicklung der Buch- wie der Druck-Kunst durch die Jahrhunderte (z.B. S. 36), bis hin zu Branchen-Analysen in damaliger Sicht, etwa: Faksimiles (S. 250ff.). Dass einer der Schüler des Autors (aus seiner Verleger-Zeit, nicht aus der frischen als Dozent für Typo & Design in Hamburg) vom Typovirus ergriffen (S.161ff.) genau dort gelandet ist, sei als Insider-Bonmot erwähnt. Und das Konzept der Autoren-Buchhandlung wird im Roman gleich mit lanciert (S. 139ff., alternatives Bibliotheks-Konzept gleich integriert). Leser mag sich kreativ anregen lassen, um nun der Branche zugehörig oder schlicht an Hamburgs Historie interessiert …
Und der Buchdruck? Ja, wie erwähnt, schleicht er thematisch durchs Buch. Doch weit mehr als das, auch das Buchbinderische macht sich bemerkbar: Kreativ umgesetzte Buchdeckel ohne Rücken, dafür direkt im Falz aufgedruckte Texte, Prägung auf dem Cover, mit Farb-Varianten. Die Kapitel durch Farbkleckse im seitlichen Schnitt auffindbar, je Kapitel zudem als Kolumne gleichfarbig mitlaufend: Ralf Plenz experimentiert auch heute noch gerne, feines Modelling also für alle, die noch Haptik transportieren mögen. Wie wichtig die ist, wissen wir aus der Hirnforschung – und lässt uns hoffen, was die Zukunft gedruckten Buches angeht. Auch durch die Story zum 2-Millionen-fach verkauften Yoga-Buch inkl. erfundenen „vier Tibetern“, das erst den Yoga-Boom in Deutschland ausgelöst haben soll …HPR