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Leichte Sprache

Autor Cristina Morales
Verlag Matthes & Seitz
ISBN 978-3-7518-0066-2

Unterschiedliche Perspektiven kommen hier zur Sprache, im Sinne des Wortes: Verschieden behinderte Frauen, einzeln und im Zusammenspiel, auf gut 400 Seiten. Ein Roman, der mit diversen Textsorten spielt – und mit Sprach-Stilen, mehr oder weniger elaboriert…

Die Kommunikation geistige Behinderter
…erhält von der Autorin eine breite Bühne mit diversen Perspektiven, eben von Betroffenen: „Leichte Sprache erzählt die Geschichte von vier Frauen, die mit der Diagnose einer geistigen Behinderung in einer betreuten Wohnung im gentrifizierten Barcelona leben. Nati beschreibt ihre Symptomatik als »Schiebetüren-Syndrom«: Unter Druck verändert sich ihr Verhältnis zur Umwelt. Alle vier haben Lernschwierigkeiten. Marga ist Analphabetin und sexuell überaus aktiv, Àngels stottert, Patri hat Logorrhö. In integrativen Tanzgruppen und in der Hausbesetzerszene Barcelonas versuchen die Frauen, sich von der Bevormundung durch staatliche Einrichtungen und Justiz zu befreien und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. So scharfsinnig wie wütend demaskiert die Tänzerin Nati die Ideologie der nach den Vorstellungen der »neoliberalen Macho-Faschos« funktionierenden Gesellschaft,“ wie sie hier in Dialogen wie Erzählungen diskutiert wird, auch den Blick eines beteiligten (und betroffenen) Mannes integrierend (S. 158ff., der zugleich in eine andere Rolle schlüpft). Zugleich werden linke Konzepte höchst elaboriert vorgestellt (u.a. S. 85) – und jene der Psychologie (negatives / positives Verstärken S. 138 usw.).

Leichte Sprache hilft
…sich ausdrücken zu können: „ihre Cousine Àngels entdeckt mit »leichter Sprache« ein Instrument der Teilhabe und verfasst ihre Lebensgeschichte auf WhatsApp mit erstaunlicher Poesie. Vielstimmig erzählt Cristina Morales vom Leben dieser Frauen und montiert dabei Gerichtsakten, Protokolle der anarchistischen Okupas und ein Fanzine zu einem großen Roman.“ Höchst interessanter Korpus inklusive, der die Leichte Sprache illustriert und zugleich zitierend erläutert, etwa S. 217f. (beginnend S. 49ff.). Der eigene Newsletter der Selbstvertretungsgruppe ist vorgestellt (S. 223-262), das eigene Auseinandersetzen mit „Konzepten“ von geistiger Behinderung in den Augen der Betroffenen diskutiert (etwa S. 301: verminderte Intelligenz?!). Noch eine Textsorte: Die Treffen der Okupa-Gruppe werden als Protokoll präsentiert (z.B. S. 181ff.)… Fazit à la S. 409: „…Leichte Sprache / ist der universelle Zugang für alle Bürger / aus Spanien oder aus dem Ausland…“ Voila – oder besser passend: !listo! Exzellent recherchiert (siehe Danksagungen S. 413f.) und sehr einfühlsam geschrieben. HPR www.dialogprofi.de www.gabal.de

Hanspeter Reiter